Nord-Korea als Taiwans Atomklo

■ Taiwans Atomlagerkapazitäten sind erschöpft. Großer Widerstand der Bevölkerung gegen Deponien daheim

Berlin (taz) – Taiwan will einen Teil seines Atommülls künftig in Nord-Korea deponieren. Innerhalb der nächsten zwei Jahren sollen 60.000 Fässer schwachradioaktiven Atommülls aus Taiwans drei Doppelreaktoren nach Nord- Korea verschifft werden, für 200.000 weitere Fässer besteht eine Option. Das teilte die staatliche Elektrizitätsgesellschaft Taipower am Montag in Taipeh mit. Das Abkommen war bereits am Freitag mit nordkoreanischen Stellen unterzeichnet worden.

Angaben über die Art der Deponie im kommunistischen Nord- Korea, die bereits bestehen soll, wurden nicht gemacht. Laut Taipower falle der Atommüll aufgrund seiner geringen Strahlung auch nicht unter die Sicherheitsbestimmungen der Internationalen Atomenergiebehörde. In Taiwans einzigem Atomlager sind die Kapazitäten inzwischen erschöpft. Seit 1982 wurden in der Deponie auf der Insel Lanyu im Südosten Taiwans 97.672 Fässer mit Nuklearmüll eingelagert, das Fassungsvermögen beträgt 98.112 Fässer. Eine Erweiterung der Kapazitäten scheiterte am Widerstand der Inselbewohner, die einer indigenen Minorität angehören und sich auch in der Bevölkerung der Hauptinsel große Unterstützung sichern konnten.

Nach erfolgreichen Blockaden der Hafenanlagen hatte Taipower den Bewohner Lanyus im vergangenen Juli versprechen müssen, bis zum Jahr 2002 sämtlichen Atommüll von der kleinen Insel zu entfernen. Auf der Hauptinsel verhindert eine starke Anti-AKW-Bewegung bereits seit Jahren, daß der Bau eines vierten Doppelreaktors über die Planung hinauskommt. Auf der Suche nach neuen Lagerstätten bot die Elektrizitätsgesellschaft daraufhin einzelnen Kommunen bis zu 116 Millionen US-Dollar. Noch vor wenigen Tagen hatte sich Taipower optimistisch gezeigt, taiwanesische Kommunen zur Aufnahme des Mülls überzeugen zu können. Parallel wurde im Ausland nach Lagerkapazitäten gesucht. Verhandelt wurde mit den Regierungen Rußlands und der Marshall-Inseln. Zeitweilig wurde sogar über Gespräche mit der Volksrepublik China spekuliert. In stalinistisch- regierten Nord-Korea, das wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand steht und zu dem Taipeh keine diplomatischen Beziehungen unterhält, muß Taipower nicht mit Protesten gegen den Atommüll rechnen. Über den finanziellen Umfang des Atommüllgeschäfts wurde nichts bekannt. Sven Hansen