„Und keiner hat–s gemerkt“

■ HVV-Chef Kellermann ist stolz auf sein lautloses Wirken. Sein oberstes Prinzip heißt Wirtschaftlichkeit, der Kunde kann warten

„Der alte HVV“, so betont der neue Verkehrsverbundschef Peter Kellermann, „hatte vor allem die Fahrgastinteressen im Blick.“ Und heute, nach einem Jahr Reorganisation? Da stehen andere Dinge im Vordergrund: „Die Wirtschaftlichkeit.“ Stolz betonte der seit einem Jahr amtierende HVV-Chef gestern, wie still der grundlegende Wandel zum neuen HVV vonstatten ging. „Ein Jahr neuer HVV – und keiner hat was gemerkt. Das haben wir geräuschlos über die Bühne gebracht.“

Tatsächlich: Während sich im Innern der Verbundzentrale HVV revolutionäre Veränderungen vollzogen, darunter ein Personalkahlschlag von einst 100 auf heute 35 Mitarbeiter, lief für den Fahrgast alles wie gewohnt: Schmutzige S-Bahnen, ständige Verspätungen der U-Bahn DT4 auf der Linie U1, schlechtgelaunte Busfahrer, Stagnation bei den Fahrgastzahlen; zugleich aber ein rekordverdächtiger Kostendeckungsgrad von 60,3 Prozent, ein Spitzenwert im Vergleich der großen Verkehrsverbünde. Und, last but not least, eine Preiserhöhung ohne großes Tam-Tam.

Doch hinter den Kulissen rumorte es gewaltig: Durch die Nahverkehrsreform zum 1.1.96 mußte der HVV seine Organisation grundlegend ändern. War er früher eine Kooperationsgesellschaft der Verkehrsunternehmen, so ist er heute eine Regie-GmbH im Besitz von Hamburg (85 Prozent), Schleswig-Holstein (zwei Prozent), Niedersachsen (ein Prozent) und den umliegenden Landkreisen (zusammen zwölf Prozent). Beim öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) soll jetzt das Bestellerprinzip gelten. Wer zahlt, schafft an. Der neue HVV soll so als verlängerter Arm von Senator Eugen Wagner Verkehr bei den Verkehrsunternehmen einkaufen und koordinieren.

Serviceaufgaben, von der Schulberatung über die Tarifauskunft bis zur Großkundenabo-Betreuung werden zwar noch gemeinsam finanziert, aber nicht mehr vom HVV, sondern von den Verkehrsbetrieben wahrgenommen. Finanzsenator, Bausenator und Bürgermeister freut das. Der HVV denkt sparsamer, weniger kundenorientiert.

Peter Kellermann, der als Chef der Pinneberger Verkehrsgesellschaft zu den besten Verkehrsunternehmern der Republik zählte, träumt dennoch von einem noch leistungsfähigeren Verkehrsverbund: Doch daraus wird frühstens ab 1999 was. Frühestens dann, so Kellermann, „wird auch der Kunde etwas merken.“ Florian Marten