Verfassungsgericht prüft Sperrklausel

■ FDP und Reps für Streichung der Fünfprozentklausel bei BVV-Wahlen

Die alte Dame von den Grauen Panthern hatte sich gestern trotz Hexenschuß zur Anhörung des Verfassungsgerichts begeben. Sie hoffte, daß die Verfassungsrichter die Fünfprozentklausel für die Wahlen zu den Bezirksparlamenten kippen: „Ohne die Fünfprozenthürde hätten wir bei den Wahlen im Oktober 1995 neun BVV- Sitze erhalten. Das kann man nicht so einfach vom Tisch wischen.“

Auf Antrag von neun BVV- Kandidaten der FDP und der „Republikaner“ muß das Verfassungsgericht prüfen, ob die Fünfprozenthürde für die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen verfassungsgemäß ist. Ohne diese Sperrklausel hätten die FDP bei den letzten Wahlen 18 BVV- Sitze, die „Republikaner“ 30 und die Grauen Panther 9 Sitze in den Bezirksparlamenten erhalten.

So bestimmte der Antagonismus zwischen den anwesenden Vertretern kleiner Parteien, die sich zu Unrecht „ausgegrenzt“ fühlen, und den Vertretern der etablierten Parteien, die bei einem Wegfall der Sperrklausel BVV- Sitze verlieren würden, das Klima der Anhörung. „Wir sind hier nicht in einer Volksversammlung, auch wenn es so aussieht“, versuchte Verfassungsgerichtspräsident Finkelnburg die Reaktionen auf Redebeiträge zu dämpfen.

Während Vertreter von CDU und SPD die Sperrklausel verteidigten, weil die sonst drohende Zersplitterung der Bezirksparlamente deren Arbeitsfähigkeit gefährde, stellte die Vertreterin der Bündnisgrünen, Renate Künast, den Status quo in Frage. „Die Grünen halten die Anwendung der Fünfprozentklausel bei den Wahlen zu den Bezirksparlamenten für verfassungswidrig“, sagte die Rechtsanwältin. Sie bezweifelte, daß einige fraktionslose Mandatsträger die Funktionsfähigkeit der BVV beeinträchtigen könnten. Sie vermutete hinter den Abwehrargumenten der etablierten Parteien den Wunsch, daß die Arbeit in den kommunalen Parlamenten „wie gewohnt“ verlaufe.

Andere Gegner der Sperrklausel argumentierten, Vertreter kleiner Parteien würden eher unabhängig von einer ideologischen Parteilinie Sachentscheidungen treffen. Das Verfassungsgericht muß nun abwägen, welcher Rechtsgrundsatz schwerer wiegt: das Prinzip der Wahlgleichheit, das jeder Partei die gleichen Chancen einräumt, oder die Abwehr einer möglichen Zersplitterung der politischen Kräfte. Unter Juristen werden der Verfassungsbeschwerde durchaus Chancen auf Erfolg eingeräumt.

Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen kommen bei Kommunalwahlen ohne Sperrklausel aus. Mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichts ist in den nächsten zwei Wochen zu rechnen. Dorothee Winden