Ohrenkerzen und Hirsekissen Von Carola Rönneburg

Allen Gerüchten zum Trotz gibt es sie doch: die kleine taz-Jahresendsozialleistung für verdiente Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Kaum zwei Wochen ist es her, daß in der Kochstraße Geschenkgutscheine der umweltprodukteversendenden Firma „Waschbär“ verteilt wurden – immerhin im Wert von fünfundsiebzig Mark –, und seither kennt man hier von der Telefonzentrale bis zum Archiv nur ein Thema: Welches der „über 5.000 umweltigenden Produkte“ aus dem „Waschbär“-Katalog soll man bestellen?

Die Wahl fällt nicht leicht. Der Geschenkgutschein reicht für zwei Flaschen Fußbodenmilch, frei von organischen Lösungsmitteln, oder ein halbes Trägerkleid aus Hanf. Denkbar sind aber auch ungebleichte und waschbare Damenbinden „mit Druckknöpfen zur Fixierung am Slipsteg“. Soll ich, ganz kühle Rechnerin, zwei davon nehmen und mir zusätzlich die „Tasche zur diskreten Aufbewahrung der Binden für unterwegs“ gönnen? Andererseits ließe sich der Gutschein auch gegen einen Wäschestampfer eintauschen, um Teppiche und Schlafsäcke „bequem in der Badewanne“ zu waschen – die Sache wird immer verwickelter. Langjährige „Waschbär“-Kunden sind da sicherlich entschlußfreudiger. Wenn der neue Katalog eintrifft, sitzen sie einträchtig am Eßzimmertisch aus geölter und gewachster Buche und entdecken sofort etwas Nützliches und Schönes, zum Beispiel „Blume und Biene, das geriffelte und genoppte Kondom“ aus der Abteilung „Natürliche Familienplanung“. In der Großpackung ist dieses Verhütungsmittel sehr viel günstiger als die „feminine, zarte Damenwäsche“ aus kontrolliert biologischer Baumwolle von Seite 104. Und falls die beiden andere Pläne haben, bleibt ihnen immer noch Seite 271: „Sieh nur Schatz, hier ist der PG/53 Zyklusanzeiger! Wenn du deinen Speichel ohne Schaum oder Zervikalschleim auf seiner Glasmitte ablegst, zeigt er an, ob heute die Möglichkeit besteht, schwanger zu werden!“ – „Das ist ja wundervoll!“

Ja, so wird es zugehen bei Waschbärs. Was aber mache ich? Für keltische Weihnachtsgesänge auf CD ist es jetzt zu spät, und niemals, niemals werde ich mir eine brennende Knoblauch-Kerze ins Ohr stecken, um meinen Körper wieder in Einklang mit der Natur zu bringen. Das geht genausogut mit einem Tresterbrand, der nach den Kriterien des Naturlandverbandes angebaut wird (Seite 251). Darüber hinaus frage ich mich, wie viele Zimmerbrände von Ohrenkerzenbenutzern verursacht werden: Man legt sich mit der Kerze in der Ohrmuschel auf die Seite, wie es Dr. Klaus Krauth in seinem Buch „Die Ohrenkerze in Theorie und Praxis“ beschreibt (drei Stück für einen Gutschein), hört nichts mehr, schläft ein und fackelt sein formaldehydfreies Hirsekissen ab.

Da bleibt nur eins: Statt für Elektrosmogdetektor oder Bügelbrett entscheide ich mich für das „Ohrwurm-Zelt“, das, wie wir Ohrwurmexperten wissen, nur „im 2er-Set“ bestellt werden kann. Der Ohrwurm frißt nämlich nachts „bis zu 120 Blattläuse“, und tagsüber – „er liebt es eng und dunkel“ – schläft er, nach Geschlechtern getrennt, in einem der beiden dekorativen Ohrwurmzelte. Die also will ich bestellen, und Ohrwurm und Ohrwürmin sollen es gut bei mir haben.