SPD-Länder stimmen Kanthers Visaverordnung zu

■ Niedersachsens Innenminister Gerhard Glogowski billigt das Dekret seines Bonner Kollegen Manfred Kanther: Einwandererkinder müssen ein Visum haben

Hannover (taz) – „Grundsätzlich keine Bedenken“ gegen die neue Visapflicht für Kinder aus der Türkei, Marokko, Tunesien und den Staaten Ex-Jugoslawiens hat der niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski, der in der Länderinnenministerkonferenz als Sprecher der SPD-Länder fungiert. Nach Angaben seines Hauses in Hannover ist diese Haltung mit anderen SPD-regierten Ländern abgestimmt, so daß die heute in Kraft tretende Visapflicht kaum noch im Bundesrat scheitern dürfte. Bundesinnenminister Kanther hatte die neue Bestimmung zunächst über eine sogenannte Dreimonatsregelung in Kraft gesetzt. Unbefristet würde die neue Visapflicht nur gelten, wenn der Bundesrat zustimmt. In den kommenden drei Monaten will Glogowski prüfen lassen, ob Kanthers Zahlen über den angeblichen Mißbrauch der bisherigen Visafreiheit zutreffen. Der Bonner Innenminister hatte die Visapflicht für Kinder aus den Haupteinwandererländern mit „einem extremen Mißbrauch von Abhängigen“ begründet. Die Mißbrauchszahlen, die das Kanther-Ministerium veröffentlichte, sind jedoch zweifelhaft: Angeblich ist seit 1994 die Zahl der an Flughäfen und Grenzen registrierten alleinreisenden unter 16jährigen von 198 auf 2.068 angestiegen.

Die Statistik, die Kanther zusammen mit der Verordnung an die 16 Bundesländer verschicken ließ, nennt aber für 1996 nur 352 unter 16jährige aus den betreffenden Ländern, die anschließend um Asyl nachsuchten. Nach Meinung des niedersächsischen Innenministeriums wurden unter der Rubrik „Mißbrauch“ auch alleinreisende Minderjährige erfaßt, die lediglich Verwandte besuchen wollten.

Den 352 minderjährigen Flüchtlingen (zumeist aus Kurdistan), die Kanther per Visapflicht nun fernhalten will, stehen rund 800.000 weitere von der neuen Verordnung Betroffene gegenüber. Von dieser Zahl geht zumindest der Sprecher der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung aus. Etwa 600.000 unter 16jährige, die aus den betreffenden Staaten kommen und zum Teil in Deutschland geboren sind, müssen nun bis Ende des Jahres eine eigene Aufenthaltsgenehmigung beantragen.

Bisher erhielten sie, wenn sie sechzehn und damit visapflichtig wurden, gleich eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung, wenn sie sich rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhielten. Für unter 16jährige kennt das Ausländergesetz nach Angaben der Ausländerbeauftragten allerdings die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung nicht. Daher werden nur wiederholte Gänge zu den Ausländerbehörden notwendig. So verschlechtert die neue Verordnung allen Beteuerungen von Kanther zum Trotz doch die Rechtsstellung der in der BRD lebenden Einwandererkinder. Jürgen Voges