War Streit tatsächlich das Tatmotiv?

■ Im Prozeß gegen Safwan Eid sagte gestern der Familienvater aus, der laut Staatsanwaltschaft Streit mit dem Angeklagten hatte

Das Tatmotiv soll Streit gewesen sein, Streit mit dem Familienvater Gustave Soussou. So stand es im Haftbefehl gegen den Libanesen Safwan Eid, als dieser von der Lübecker Staatsanwaltschaft beschuldigt wurde, das Feuer in der Flüchtlingsunterkunft in der Hafenstraße gelegt zu haben. Gestern bezeugte Gustave Soussou nun vor dem Lübecker Landgericht, daß bei der polizeilichen Vernehmung niemals von Streit die Rede gewesen sei. Man habe auch nicht darüber gesprochen, daß jemand Benzin vor seine Zimmertür gekippt haben könnte. Und zudem hätten die Ermittler ihn niemals gefragt, ob er Kinder und Familie habe.

Den Begriff „Familienvater“ hatte der Rettungssanitäter Jens L. aufgebracht, als er von dem angeblichen Geständnis Eids ihm gegenüber berichtete, auf das die Anklage zurückgeht. Neben dem Vater von Safwan Eid war Gustave Soussou der einzige Familienvater im ersten Stock der Flüchtlingsunterkunft – was selbst den Bewohnerinnen nicht bekannt war, weil seine Kinder im Ausland leben. Daß die Staatsanwaltschaft ihn nicht einmal fragte, ob es Streit gegeben habe, geschweige denn ob er Vater sei, gibt zu denken. Immerhin weist sie Soussou im Haftbefehlsantrag als Familienvater aus, der mit Eid einen Streit hatte. Und das indiziert erneut den eindeutigen Willen der Ermittler, Eid als mutmaßlichen Täter anzuklagen.

Gustave Soussou schlief in der Brandnacht in einem Zimmer mit Silvio Amoussou. Der wurde später tot im Eingangsbereich des Hauses aufgefunden, ohne daß sich Ruß in seinen Atemwegen fand. Wahrscheinlich ist deshalb, daß er anders als durch das Feuer gestorben ist.

Soussou allerdings berichtete gestern, vom Zimmernachbarn Amoussou mit den Rufen „Feuer, Feuer“ geweckt worden zu sein. Anschließend sei er ihm noch aus dem Zimmer gefolgt. Vor seinem Zimmer im ersten Stock habe er keine Flammen, sondern nur Rauch gesehen. Stimmt diese Darstellung, so müßte auch Soussou Rauch eingeatmet und entsprechende Spuren in der Lunge haben. Da das Gutachten des Gerichtsmediziners zu einem anderen Ergebnis kam, vermutet Eids Anwältin Gabriele Heinecke, daß Soussou in der Aufregung der Situation jemand anderen fälschlich für Amoussou hielt.

Mehrere Minuten lang, so erklärte Soussou, sei er auf dem Flur herumgeirrt, ehe er sich aus dem Fenster retten konnte. Seine Aussage, so bewertet es Barbara Klawitter, die zweite Anwältin Eids, spreche eindeutig gegen die Annahme der Staatsanwaltschaft, daß das Feuer im Flur ausgebrochen sei.

Elke Spanner