Parteitag erzeugt Blähungen in der SPD

■ Linke und Gewerkschafter in der SPD reiben sich am Beschluß zum Verkauf der Bewag-Anteile. CDU begrüßt den SPD-Parteitagsbeschluß und polemisiert gegen die von der SPD beschlossene Staatsreform

In der SPD ist die Debatte um die richtige Haushaltspolitik auch nach der Zustimmung zum Bewag- Verkauf erst eröffnet. Der Gewerkschaftsflügel der SPD äußerte sich enttäuscht. „Das ist schade für die Sozialdemokratie“, sagte der ÖTV-Chef und SPDler Kurt Lange. Die DGB-Vorsitzende Christiane Bretz sah in der vom SPD-Sonderparteitag am Dienstag nacht beschlossenen Veräußerung der kompletten Landesbeteiligung an dem Energieversorger gar „einen Schlag ins Gesicht der Arbeitnehmer“. Finanzsenatorin Fugmann-Heesing (SPD) erklärte, sie wolle den Bewag-Verkauf nun schnell über die Bühne bringen.

In einer wütenden Erklärung bezeichneten die Jusos den Verkauf der Bewag als „schwere ökonomische und ökologische Hypothek für das kommende Jahrhundert“. Der Juso-Landesvorsitzende Matthias Linnekugel erkannte an, daß der Parteitagsbeschluß für einen Paradigmenwechsel in der SPD weg von der staatlichen Beteiligung an öffentlichen Unternehmen hin zu regulierenden Eingriffen per Gesetz stehe. Die Jusos wollten diese Debatte „mit linken Inhalten füllen“, sagte Linnekugel. Der Gewerkschaftsflügel der Partei ist geradezu erbost darüber, daß sich die SPD bereit erklärte, das 50prozentige Aktienpaket des Landes abzustoßen. „Ich leide unter diesen Beschlüssen“, sagte Ernst-Otto Kock, Sprecher der ÖTV und SPD-Mitglied. „Die SPD hat der Stadt und sich selbst einen schlechten Dienst erwiesen“, meinte Kock. Sie werde den Verkauf mit dem Verlust von Arbeitsplätzen bezahlen. Kock sprach dem Beschluß jegliche strategische Bedeutung etwa im Bezug auf eine Orientierung der SPD auf Ideen des britischen „neuen“ Sozialdemokraten Toni Blair ab. „Da steht jemand vor dem Rasierspiegel und hat eine Blähung, die er als Paradigmenwechsel empfindet. Blähung hat aber mit Blair nichts zu tun“, so Kock.

Die CDU begrüßte die Zustimung der SPD zur Veräußerung der Bewag, die drei Milliarden Mark in die Landeskasse bringen soll. Der Koalitionspartner sei endlich auf Vorschläge eingeschwenkt, die Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) schon lange gemacht habe. Auch die bündnisgrüne Haushaltspolitikerin Michaele Schreyer sah das so – wenngleich kritisch: Der Beschluß bedeute „den vollen Durchbruch der finanzpolitischen Linie der CDU“.

Ein Streitpunkt zwischen den Regierungskoalitionären CDU und SPD zeichnete sich bei dem zweiten Beschluß der SPD ab. Die SPD forderte darin erneut politische Bezirksämter. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen warf der SPD daraufhin vor, sie wolle Berlin „von innen heraus blockieren und für gesamtstädtische Zukunftsentscheidungen handlungsunfähig machen“. Er wolle keine Nebenregierungen auf Bezirksebene. Christian Füller

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