■ Welt Weit Grönling
: Wenn der Browser putscht

„Ich bin der Herr, dein Browser. Du sollst keine anderen Browser haben neben mir.“ Wer sich sowohl den Netscape Navigator als auch Bill Gates' Internet Explorer auf die Platte tut, um die Vorteile des einen zu nutzen, ohne auf die des anderen zu verzichten, wird mit kuriosen Dingen konfrontiert: Je nachdem, welcher von beiden zuletzt installiert wurde: beim Start des anderen erscheint ein Windows-95- Meckerfenster. Es weist entrüstet darauf hin, daß der zuerst installierte Browser nun nicht mehr der Standard-Browser sei und daß ich ihn doch per Mausklick in den Stand desselben erheben möge. Sofort werde ich an Isnogud erinnert, den bitterbösen Großwesir, dessen einziges Bestreben es war, Kalif anstelle des Kalifen zu werden.

Natürlich kann ich diesen Kampf mit einem beherzten Klick im tiefsten Inneren des Systems beenden. Aber das ist nur der halbe Spaß, ich bin gespannt, wer gewinnt. Es sind verdammt harte Kämpfe, die sich die beiden in ihrem Hegemonialbestreben liefern. Manchmal gehen sie auch etwas unter die Gürtellinie, so daß ich mich frage, ob es überhaupt Regeln gibt. Wenn ich den Explorer-Cache durchforste, jenen geheimnisvollen Zwischenspeicher, der bereits angesurfte Websites auf der Platte ablegt, kommt es vor, daß die ausge

wählte Site in Netscape geladen wird – obwohl der Explorer bereits läuft. Wenn es mir zu bunt wird, greife ich ein und bestimme vorübergehend einen zum Standard. Aber das ist gefährlich – wer weiß, welchen Unfug der andere dann wieder anstellt.

Über die Begehrlichkeiten der Browser kann sich der souveräne Surfer hinwegsetzen. Richtig schlimm wird es aber, wenn superschlaue Provider und Online-Dienste keine anderen Provider neben sich dulden und Netscape oder Explorer-Versionen verteilen, in denen die Daten für den Zugang und den Mailverkehr fest eingebrannt sind. Das ewige Karussell mit den verschiedenen Winsock-Versionen und Login-Scripts bekommt man mit etwas Übung durchaus in den Griff. Wer aber zum Beispiel den Uni-Account von zu Hause per Modem nutzen möchte und sich dafür eine Netscape-Version installiert, die von T-Online auf CD-ROM vertrieben wird, weil es so schön bequem ist, erlebt eine böse Überraschung: Bei der Installation werden lebenswichtige Internet-Systemdateien mit denen von T-Online überschrieben, und bei „Mail & News“ sind die Telekom-Server eingetragen und können nimmermehr verändert werden. Auch eine Art, Kunden zu binden. Dieter Grönling

groenling@compuserve.com