Sylt wird ganz schön teuer

■ Die Ebbe in den Kassen gefährdet den Küstenschutz in Schleswig-Holstein und vor allem die Insel Sylt

Die sturmerprobten Schleswig-Holsteiner leiden derzeit mehr unter der Ebbe als unter mancher Sturmflut – zumindest beim Küstenschutz. Den Fluten halten die Deiche an Nord- und Ostsee meist stand, doch die Ebbe in den Kassen läßt für die Zukunft Sorge aufkommen. Dem Land steht das Wasser finanziell bis zum Hals, und nun will auch der Bund seine Mittel für den Küstenschutz kürzen.

Ohne zweistellige Millionenbeträge jedes Jahr wäre aber die Nordsee-Insel Sylt dem Untergang geweiht. Mit aufwendigen Vorspülungen werden Jahr für Jahr Unmengen von Sand vom Meeresboden an die Sylter Strände gepumpt, um die von den Strömungen verursachten Verluste in Grenzen zu halten. Zwölf Millionen Mark standen dafür 1996 zur Verfügung, zu 70 Prozent vom Bund und zu 30 Prozent vom Land aufgebracht.

Würde der Bund seinen Anteil tatsächlich zusammenstreichen, wäre die „Insel der Reichen und Schönen“ akut gefährdet. Landwirtschaftsminister Hans Wiesen (SPD), zuständig auch für den Küstenschutz, erklärte deshalb die Rettung von Sylt verschmitzt zur „nationalen Aufgabe“. Ob dieser Vorstoß im Bonner Umwelt- und im Landwirtschaftsministerium auf offene Ohren stößt, ist allerdings fraglich. Ein ermunterndes Signal von dort läßt noch auf sich warten.

Insgesamt hat Schleswig-Hol-stein eine von Sturmfluten bedrohte Küstenlinie von 1100 Kilometern. Darin eingeschlossen ist das Elb-ufer bis zur Hamburger Stadtgrenze. Im Schutz der Deiche leben und arbeiten 150.000 Menschen; hier liegt ein Viertel der Landfläche. Der nach der großen Sturmflut von 1962 aufgelegte „Generalplan“ zum Küstenschutz, für dessen Umsetzung bislang mehr als 2,4 Milliarden Mark ausgegeben wurden, sollte längst Makulatur sein. Wegen Geldmangels ist er jedoch bis heute nur zu 93 Prozent erfüllt, berichtet Küstenschutz-Referent Bernd Probst aus dem Landwirtschaftsministerium. Die Verstärkung von etwa 50 Kilometern Deich für etwa 250 Millionen Mark steht noch aus. Selbst wenn die Mittel weiter fließen sollten wie bisher, würde die Abarbeitung des Planes noch zehn Jahre dauern.

Trotz aller Geldsorgen halten die Küstenschutzexperten die Deiche an Nord- und Ostsee derzeit für sicher – auch wenn der Meeresspiegel weiter steigt. Mit neuen Deichverstärkungen soll nach dem Winter im April oder Mai wieder begonnen werden, wobei in diesem Jahr zunächst die Ostsee-Insel Fehmarn und im Westen ein Abschnitt an der Elbe bei Glückstadt an der Reihe sind.

Wolfgang Schmidt