Der Sohn des Clowns

■ Hommage an den Filmschauspieler Adolf Wohlbrück im Schwulen Museum

„Sind Sie vielleicht der Herr vom Eislaufplatz? Der immer im gesprenkelten Sweater herumläuft?“ Paula Wesselys Frage in dem Willi-Forst-Film „Maskerade“ läßt den eleganten Herrn im Frack erschauern: Für einen Moment sieht Adolf Wohlbrück wahrhaftig aus, als hätte ihm jemand ans Bein gepinkelt.

Ob Wohlbrück tatsächlich „Der schönste Mann im deutschen Film“ war, wie uns der Titel einer Ausstellung im Schwulen Museum suggerieren möchte, sei einmal dahingestellt. Zu den elegantesten Erscheinungen auf der Leinwand zählte der 1896 als Sohn eines Clowns geborene Wiener allemal. In einen Frack gewandet, die Blume im Knopfloch, ein Hand lässig in der Hosentasche – so kannten und liebten ihn seine Fans. In den zwanziger Jahren hatte der Reinhardt-Schüler bereits am Theater reüssiert; seine größten Erfolge feierte Wohlbrück hingegen im Tonfilm, insbesondere in den kultivierten Komödien eines Reinhold Schünzel oder Willi Forst.

In England in der Rolle des guten Deutschen

Nach seiner Emigration im Jahr 1937 – und der Änderung seines Namens in Anton Walbrook – kamen die Engländer in den Genuß seiner Schauspielkunst: Popularität erlangte er in zwei Filmen als Königin Viktorias deutscher Prinzgemahl Albert; während des Krieges sah man ihn als „guten Deutschen“ in den Powell/Pressburger- Produktionen „49th Parallel“ und „The Life and Death of Colonel Blimp“. Eine seiner bekanntesten Nachkriegsrollen war der „Spielleiter“ in „La Ronde“ – eine Figur, die Regisseur Max Ophüls extra für Wohlbrück zu Arthur Schnitzlers „Reigen“ hinzuerfand.

Als Dokumentation einer langen und erfüllten Karriere versteht sich die Wohlbrück-Hommage im Schwulen Museum: Zu sehen sind Standfotos aus seinen Filmen, Werbematerialien, Reprints von Programmheften oder auch die Plakatentwürfe, die Josef Fenneker für Produktionen wie „Der Student von Prag“ und „Der Kurier des Zaren“ malte.

Interessant vor allem die Szenenfotos aus heute unbekannten britischen Filmen: Eine Aufnahme aus „The Man from Marocco“ (1944) zeigt Wohlbrück ganz untypisch mit zerrissenem Hemd und Strohhut. Nur eingefleischten Wohlbrück-Fans dürften die Fernsehproduktionen und Theatergastspiele bekannt sein, die den Schauspieler in den fünfziger und sechsziger Jahren wieder nach Deutschland führten; auch sie werden von der Ausstellung mit einigen Fotos dokumentiert.

Während es genügend Bildmaterial des „schönsten Mannes“ gibt, um die Augenlust des Publikums zu befriedigen, gehen die Ausstellungsmacher über ein erweitertes Informationsbedürfnis der Besucher eher lässig hinweg. Dabei hätte vor allem der große Bruch in Wohlbrücks Leben – der Neuanfang in England – durchaus etwas mehr an Aufmerksamkeit verdient.

Die Homosexualität des Künstlers, eventuelle jüdische Vorfahren, Probleme mit der Reichsfilmkammer wegen nicht abgesegneter Auslandsengagements und Devisenvergehen – die Gründe für Wohlbrücks Emigration werden eher angedeutet als belegt, vieles muß sich der Besucher selbst zusammenreimen. Kopien von Dokumenten und Briefen sollen ein wenig Licht ins Dunkel bringen, doch ohne Informationen über Absender oder Adressaten wirken auch sie in diesem Zusammenhang nur wenig erhellend.

Liebeserklärung ins Gesicht gebrüllt

Sinnvoll hingegen erscheint der Videomonitor mit Ausschnitten aus diversen Wohlbrück-Filmen. Allerdings bleiben Überraschungen aus, gezeigt wird der bekannt kühle, ironisch-distanzierte Wohlbrück. Zu den spannendsten Momenten seines Schauspiels zählen jedoch auch jene Momente, in denen diese Fassade zu bröckeln beginnt: Etwa, wenn er in „Maskerade“ vor lauter Verlegenheit seine Liebeserklärung Paula Wessely ins Gesicht brüllt, oder als er – in seiner wohl berühmtesten Rolle ein Ballettimpressario Lermontov in „Die Roten Schuhe“ – mit kreischender, fast erstickter Stimme den Tod der Ballerina bekanntgibt.

Gestorben ist Wohlbrück im August 1967 am Starnberger See im Haus seiner langjährigen Vertrauten Hansi Burg, der ehemaligen Lebensgefährtin von Hans Albers. In Briefen, die ebenfalls in der Ausstellung einzusehen sind, hatte er sich bereits seit Jahren über sein schwaches Herz beklagt. Lars Penning

„Der schönste Mann des deutschen Films – Hommage an Adolf Wohlbrück“ im Schwulen Museum, Mehringdamm 61, Öffnungszeiten: Mi–So 14–18 Uhr, bis zum 16. März