Für immer der ideale Aufbaugegner?

■ Der HSV verliert in Karlsruhe mit 0:2 und Valdas Ivanauskas wieder die Nerven

Fußball-Bundesligist Hamburger SV, derzeit Tabellenneunter, wird sich in Zukunft als Aufbaugeg-ner für in ihrem Selbstbewußtsein angeschlagene Konkurrenten betätigen. Nur so ist die erneut desolate Vorstellung zu erklären, die der HSV bei der 0:2-Pleite vor 28 000 Zuschauern im Karlsruher Wildparkstadion bot. Wie schon im Vorjahr schoß KSC-Stürmer Eberhard Carl beide Treffer (42. und 54.). Der erste doppelte Punktgewinn der Badener in der Rückrunde untermauert die sportliche Krise des HSV nach nunmehr 2:8-Punkten in Folge.

Einzig Trainer Benno Möhlmann und Präsident Ronald Wulff äußerten sich noch nicht zum neuen Selbstverständnis. Zu den Mitte der Woche in den Präsidentenrücken gespielten Querpässen von Schatzmeister Gerhard Flomm stellte Wulff gelassen fest: „Ich nehme ihm seine Aussagen nicht übel und werde weiter mit ihm zusammenarbeiten.“

Von den Rehhagelschen Berufsperspektiven, die KSC-Trainer Winfried Schäfer nach dem Spiel präsentierte („Ich werde auch im Jahr 2000 noch in Karlsruhe meinen Weißwein schlotzen.“), hat sich Kollege Benno Möhlmann meilenweit entfernt. Alt wird er beim HSV wohl nicht mehr. Vorzugsweise beim Genuß von Selters kann er seine Karriere planen – seine Untergebenen am besten auch: Deren Darbietungen waren höchstens Hausmannskost. Karlsruhe – keinesfalls Nouvelle cuisine – wartete auf die Fehler, die sich der HSV aufgrund des Rückstands und der drohenden Niederlage in Hintermannschaft und Mittelfeld leistete. Vor dem eigenen Tor konnten sich die Badener auf die Abschlußschwäche von Ordenewitz, Kindvall und später Ivanauskas verlassen, nach vorne wurde gezaubert: Die Flanke von Häßler verwandelte Carl per Hackentrick zum 2:0. Einzig die schlechte Chancenverwertung sowie der mit Glanzparaden aufwartende Richard Golz sorgten dafür, daß der HSV vor einem Debakel verschont blieb.

Als alles schon gelaufen war, kam Valdas Ivanauskas: In der 64. Minute ersetzte er den noch schwächeren Kindvall, vergab eine hochkarätige Chance (73.), trat gegen Bewacher Thorsten Fink nach (84.) und flog zum dritten Mal in seiner Bundesliga-Karriere vom Platz. Noch zwei weitere dieser Eskapaden und der Litauer kann sich rühmen, der einzige Bundesliga-Stürmer zu sein, der pro geglücktem Torschuß einen Platzverweis vorzuweisen hat. Möhlmann mochte sich angesichts solcher statistischer Abgründe nicht weiter zu diesem unerfreulichen Thema äußern, aber sein Schweigen verheißt nichts Gutes. Noch immer, wenn der 40jährige besonders still wurde, gab es danach einen großen Knall.

Schon am kommenden Sonnabend kann sich der HSV im Volksparkstadion wieder als Aufbaugeg-ner für die nach dem 1:1 gegen Duisburg völlig verunsicherten Münchner Bayern betätigen.

Marcus Reddemann