Wein in alten Schläuchen

■ Musikhalle Freitag: Werk von John Adams präsentiert

Das Bekenntnis zur Tradition gilt auch im Kulturbetrieb wieder als ernstzunehmende Aussage, im Konzertbetrieb etwa werden die alten Ausdrucksformen wie Sinfonie und Sonate rehabilitiert. So war es diesmal ein dreisätziges Violinkonzert des amerikanischen Modekomponisten John Adams, das der NDR am vergangenen Freitag in der Musikhalle präsentierte.

Die Erfüllung der Tradition als Garantie für überzeitliche Gültigkeit? Fast scheint es so, denn der historistische Anspruch der Gattungsbezeichnung wird durch die Satzcharaktere – großformatig entwickelter Kopfsatz, langsam-kantabler Mittelteil und rasant-virtuoses Kehrausfinale – eingelöst. Auch der dominierende Solopart knüpft stilistisch an die Sprache der romantischen Konzertliteratur an, ohne daß das Werk jedoch jemals wie ein Nachzügler wirkt. Ähnlich wie die zitatenbeladenen Bauten der letzten Jahre ist es ein beredtes Zeugnis seiner Zeit und ein gut gemachtes dazu: Der den ersten Satz beherrschende Kontrast zwischen dem erregten Monologisieren der Violine und der in immer neuen Instrumentalfarben schillernden Begleitfigur des Orchesters ist von hoher atmosphärischer Dichte.

Orchesterprunk, Solistenbravour und melodische Reize können jedoch nicht verdecken, daß diese Musik letztlich recht harmlos wirkt, kaum dramatische Dimensionen besitzt. Ihr unverbindlicher Unterhaltungscharakter wurde durch die von Ausnahmegeiger Gidon Kremer klug gewählte Zugabe noch unterstrichen, einem kurzen Solostück von Alfred Schnittke, das vom ersten Ton an ein persönliches Bekenntnis vermittelte. Vervollständigt wurde das Programm durch Rimsky-Korsakows sensibel ausgehörte sinfonische Dichtung Sadko und ein Potpourri aus Prokofjews Ballett Romeo und Julia, von den NDR-Sinfonikern unter Jonas Alexa solide, doch ohne den letzten Feinschliff dargeboten.

Jörg Königsdorf