Allein in der Kaserne

■ „Verteilt“, aber nicht betreut: Was den Überlebenden nach dem Brand widerfuhr

Als Jean-Daniel Makodila aus Zaire nach Deutschland kam, träumte er von einem friedlichen Leben mit seiner Frau und seinen fünf Kindern. Nun sitzt er alleine in einer Ein-Zimmer-Wohnung, in einem anonymen Hochhaus irgendwo am Stadtrand von Lübeck. Eingezogen ist er rund drei Monate nach dem Brand, bei dem seine ganze Familie starb.

Während die arabischen Familien Eid, El Omari und Alias relativ schnell nach dem Feuer eine Wohnung beziehen konnten, mußten die restlichen Überlebenden zunächst in anderen Flüchtlingsunterkünften Zuflucht suchen. Joao Bunga und Kate Davidson, jeweils mit Kindern, sowie Jean-Daniel Makodila zunächst in der Lübecker Rabenstraße. Die Familien Katuta und Agonglovi sowie die alleinstehenden Sylvere Atty und Komi Miekeledo Okouagbe traf es schlimmer: Sie kamen auf einem ehemaligen Kasernengelände unter.

Das wird als Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende genutzt, und die Überlebenden aus der Hafenstraße mußten unter den dort üblichen Bedingungen leben: Nach ihrer Herkunft auf verschiedene Gebäude des riesigen Geländes verteilt, keine eigene Kochmöglichkeit, sondern zentrale Essenszeiten. Im nächstgelegenen Supermarkt durften sie nicht einkaufen, weil er nicht mehr im Stadtbezirk Lübeck lag.

Marie Agonglovi mit ihren drei Kindern mußte ein halbes Jahr dort ausharren; als die Familie endlich in eine eigene Wohnung umzog, blieb der Togolese Sylvere Atty fast alleine in einem riesigen Gebäudekomplex zurück – wo er vor der Einsamkeit vorübergehend zu einem Freund flüchtete.

Alle ehemaligen HafenstraßenbewohnerInnen haben nun eine Wohnung – bis auf Joao Bunga und seine beiden Kinder. Obwohl es ihnen anders versprochen wurde, müssen sie ein Jahr nach dem Brand noch immer in der Flüchtlingsunterkunft Rabenstraße leben.

Die medizinische und psychologische Versorgung der Überlebenden ist auf das Notdürftigste beschränkt. Sie unterliegen dem Asylbewerberleistungsgesetz, das ihnen nur eine akute Schmerzbehandlung, nicht aber eine Heilbehandlung zubilligt.

Das Sozialamt hat zum Beispiel einer fast tauben Frau aus Zaire das erforderliche Hörgerät verweigert; hier mußten Spenden aushelfen. Gespräche mit PsychologInnen organisierte das Diakonische Werk nur für die Kinder unmittelbar nach dem Brand. Seitdem sind lediglich die Schulen aufgefordert, „Auffälligkeiten“ zu beobachten.

Elke Spanner

Siehe auch Seite 5