Verwend's noch einmal, Sam

Konsequentes Recycling heißt: alte Einzelteile zu neuen Geräten zusammensetzen. Wie das industriell funktionieren soll, diskutieren Doktoranden an der TU-Berlin  ■ Von Martin Kaluza

Manchmal tut einem das Herz weh, wenn man Dinge verwerfen muß. Der Kühlschrank etwa kühlt nicht mehr, aber die Glühbirne und der Eierhalter sind noch gut. Oder die letzten Versuche, den TÜV zu beknien, schlagen fehl – das Auto wird aus dem Verkehr gezogen, obwohl das Handschuhfach noch so schließt wie am ersten Tag. Müssen Gegenstände, die zwar nicht mehr zu reparieren sind, unbedingt auf die Müllkippe, auch wenn sie an vielen Stellen noch intakte, wertvolle Teile haben?

Noch unsere Großeltern haben, wenn denn überhaupt einmal etwas weggeworfen werden mußte, aus alten Geräten noch schnell die Schrauben entfernt, Schalter ausgebaut und Stecker abgeschraubt. Und wenn es nach der Meinung der jungen Ingenieure geht, die sich Ende des Monats an der TU- Berlin zu einem Doktorandenkolloquium treffen, soll das jetzt zunehmend im industriellen Maßstab betrieben werden. Auf dem Kolloquium soll erstmals ein breit angelegter Austausch über den Stand der Entwicklung von Demontagefabriken stattfinden, an dem etwa 60 wissenschaftliche Assistenten aus der Bundesrepublik teilnehmen werden. Bernhard Axmann vom gastgebenden Sonderforschungsbereich der TU zu diesem Thema erläutert, worum es dabei geht: „Wir beschäftigen uns mit der Auflösung von Produkten. Dabei handelt es sich um erweitertes Recycling: Die Teile, die beispielsweise aus einer Waschmaschine ausgebaut werden, sollen – so wie sie sind – wieder neu verwendet werden.“ Diese Wiederverwendung von kompletten Einzelteilen sei nicht mit einer bloßen Verwertung zu verwechseln: Bislang wurden komplexe Geräte meist so verwertet, daß vor allem ihre Metallteile zerschreddert und eingeschmolzen wurden, um dann nur als Rohstoff zu dienen. Dabei geht zum einen viel Material verloren, zum anderen sind die gewonnenen Metalle oft verunreinigt. Nichtmetallische Verunreinigungen sind dabei meist besonders schwer herauszutrennen und werden deshalb direkt auf die Deponie gekarrt.

Die Forschungsprogramme, die sich mit nachhaltiger Technologie befassen, sind noch nicht besonders alt. Der Sonderforschungsbereich Demontagefabriken an der TU, gefördert von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG), wurde 1995 eingerichtet. Hier will man die technischen Voraussetzungen schaffen, um die erwarteten Gesetzeserneuerungen zur umweltgerechten Entsorgung technischer Konsumgüter umsetzen zu können. Der Sonderforschungsbereich der TU stellt sich seinen Gästen dabei mit vier Projektbereichen vor, die sich sowohl mit Verfahren und Planung der Produktzerlegung befassen als auch mit den logistischen und stadtplanerischen Aspekten der Recycling-Technologie. Zudem werden Kriterien erarbeitet, wie Produkte schon bei ihrer Herstellung so gestaltet werden können, daß die Zerlegung hinterher möglichst reibungslos funktioniert.

Um den technischen Austausch unter den Ingenieuren zu ergänzen, werden auf dem Kolloquium zudem Gastvorträge über Marketingstrategien, ökologische Zusammenhänge sowie Stand und Prognosen rechtlicher Fragestellungen informieren: Daß Demontage bislang nicht im industriellen Maßstab betrieben wird, läßt sich neben wirtschaftlichen Aspekten vor allem darauf zurückführen, daß der Gesetzgeber dies bislang nicht forciert. Man geht an der TU aber davon aus, daß die Verschärfung der gesetzlichen Vorschriften zum Recycling von Altgütern absehbar sind.

Die Gäste vom Fraunhofer Institut für Materialfluß und Logistik aus Dortmund haben schon länger Erfahrungen auf diesem Gebiet: 1993 realisierten sie eine Pilotanlage zur Zerlegung von Mikrowellenherden. Die dazu nötigen Arbeitsvorgänge lassen sich wegen der Verschiedenheit und Komplexität der Modelle allerdings nur zum Teil von Robotern verrichten – die Pilotanlage erreichte einen Automatisierungsgrad von 20 Prozent: Maschinen entfernen die Gehäuseabdeckung und einige Schrauben, der Rest ist teure Handarbeit. Gamal Moukabary, Mitarbeiter der Dortmunder Gruppe, erklärt, daß dies generell ein Problem ist: „Wir sind weit davon entfernt, einen Automatisierungsgrad zu erreichen, wie er in der Erstabfertigung möglich ist. Eine unserer derzeitigen Hauptaufgaben liegt deshalb in der Entwicklung von Sensorsystemen, die zum Beispiel optisch bestimmte Baugruppen erkennen.“

Doch bei der Demontage selbst endet noch nicht die Arbeit der Ingenieure – sind die Teile einmal ausgebaut, sollen sie auch sinnvoll weiterverwendet werden. Neue Nutzungen werden erschlossen. Die Chips, die aus PCs ausgebaut werden, sind in der Regel hoffnungslos veraltet und können nicht noch einmal in neue Computer eingebaut werden. Das heißt aber nicht, daß sie nutzlos wären: In hochmodernen Waschmaschinen, Spielzeug oder Fahrkartenautomaten leisten sie hervorragende Dienste. Damit sichergestellt wird, daß die Teile hundertprozentig funktionieren, befaßt sich die Demontageforschung auch mit der Qualitätssicherung der Altteile. Moukabary: „Wir arbeiten an Systemen zur Zustandserkennung. wenn der Zustand eines Teils von außen nicht erkennbar ist, werden nachträgliche Tests nötig.“

Um die Funktionstüchtigkeit von Elektroteilen nach der Benutzung eines Gerätes besser beurteilen zu können, sollen außerdem schon bei ihrer Produktion Hilfen eingebaut werden. Sogenannte „Greenports“ werden gleich zu Anfang eingebaut und speichern auf einem Chip wichtige „Lebensdaten“ eines Gerätes, zum Beispiel Nutzungszeiten oder Temperatureinflüsse. Werden diese Daten vor der Demontage ausgewertet, kann man abschätzen, wie groß der Verschleiß ist.