Würstchen aller Länder...

■ Die Grüne Woche ist eröffnet. Was Sie vor dem "Großen Fressen" wissen sollten: Sind die Speckstückchen in der Mortadella gleichmäßig verteilt? Eine Lehrstunde

Warum ist die Leberwurst grob? Was soll der Pfeffermantel am Wurstrand? Und welchen Sinn hat das Wasser im dänischen Kochschinken? Fragen, die auf der Zunge liegen.

Es ist angerichtet im FU-Institut für Lebensmittelhygiene. Spitzenprodukte liegen auf kleinen Alutellern: Salamischeiben, deutsche und italienische, welche mit Pfeffer- und welche mit Heferand. Daneben rollt sich der Kochschinken, und am Rand klebt ein kleiner Kleks grobe Leberwurst. Vor den Tellern sitzen 20 StudentInnen der Veterinärmedizin; auf ihrem Stundenplan steht das Seminar Lebensmittelkunde und das Verfahren Beliebtheitsprüfung. „Auch Sie als zukünftige Tierärzte müssen wissen, ob die Ware einwandfrei ist.“ Professor Goetz Hildebrandt spricht von den zwei entscheidenden Aspekten der Qualitätsprüfung: Wie beliebt ist die Ware? Und: Entspricht sie, wissenschaftlich gesehen, dem Standard?

Doch was ist beliebt, und was ist Standard? Sind auch für manche die Fettpolster in der Leberpastete unappetitlich, so können sie nicht beanstandet werden, weil sie dem üblichen Standard entsprechen. Stoßen dem einen die vielen Fettstücke in der italienischen Mortadella auf, kann allein deswegen nicht am Gesamtprodukt gemäkelt werden. Die italienische Mortadella ist eine Brühwurst und enthält nun mal Fettstücke.

Was kann ein Prüfer beanstanden? Die äußere Beschaffenheit (Speckhülle zu dick, unerwünschter Schimmel); die Herrichtung (Hülle mangelhaft entfettet); das Aussehen (Speckstücke ungleich, trockener Rand); die Farbe (Fleischeinlage blaß, Speckteile blutig); die Farbhaltung (vergrauend); die Zusammensetzung (Fettanteil zu hoch, Knorpelteile); die Konsistenz (zu feucht, im Biß zu schwammig); den Geruch und den Geschmack (salzig, säuerlich, ölig, Fleischaroma zu gering).

Professor Hildebrandt rollt eine Scheibe italienische Mortadella auf, hält sie in die Luft und schaut sie kritisch an. Er entdeckt kleine braune Punkte – eine Beanstandung! „Wahrscheinlich ist das eine Art Pökelsalz.“ Ganz sicher ist das ein optischer Mangel. Bei einer DLG-Qualitätsprüfung würde es hierfür einen Punkt Abzug geben – unter dem Vermerk „Aussehen“. Sonstige Mängel sind an der italienischen Mortadella nicht zu finden.

„Da ist viel Geschmack drin“, sagt Javier. „Sie ist würzig und gut im Biß“, findet Susanne. Eigentlich lecker. Im Gegensatz zu der „Sauren Gurke“, einer Rohwurst aus dem Westfälischen oder Niedersächsischen. Ihr Geschmack ist säuerlich, was aber nicht beanstandet werden kann, weil in den nördlichen Regionen sauer „lustig“ macht. Goetz Hildebrandt findet die deutsche Salami zwar herrlich gestylt und im Schnittbild einwandfrei (ordentlich deutschwurstig eben), in der Konsistenz aber zu weich und zu feucht. „Das stört mich.“

Im Beliebtheitstest der StudentInnen schneidet die deutsche Salami am schlechtesten ab. Ganz vorn liegen die italienische Mortadella und die grobe Leberwurst – trotz großer Fettstücke. Goetz Hildebrandt: „Die Fettstücke gehören da einfach rein, sonst wäre die Leberwurst nicht grob.“ In der Bewertungsmitte plaziert sich der Kochschinken, der vielen einfach zu trocken ist.

300 verschiedene Wurstsorten gibt es an Deutschlands Fleischtheken – und nicht die schlechtesten. „Deutschland ist die Wurstnation“, sagt Goetz Hildebrandt. Ungefähr so, wie die Schweiz die Käsenation sei. Was der Unterschied ist: Käse unterliegt viel strengeren Qualitätsmerkmalen als Wurst, wo „alle Qualitätsbegriffe aufgeweicht sind“. Zum DLG-Test vorgegeben ist lediglich eine Bandbreite an Merkmalen; zu untersuchen ist, inwieweit das Produkt vom Optimalziel abweicht.

Was Sie unbedingt vor dem Gang zur Grünen Woche wissen sollten: Dänischer Kochschinken hat einen 40prozentigen Wasseranteil und mit Kochschinken fast gar nichts mehr zu tun. Die Salami hat nur der Optik wegen einen Pfeffermantel. Und der Kochschinken hat nur deswegen einen Fettrand, weil ein guter, alter Handwerksschinken eben einen Fettrand hat. Jens Rübsam