Rekruten! Kehrt marsch!

■ Bundeswehr bläst öffentliches Gelöbnis in Spandau ab. Vereidigung der Rekruten soll in der Kaserne stattfinden

Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren hat die Bundeswehr in Berlin gekniffen. Nachdem bereits 1995 ein Gelöbnis aus Angst vor Protesten abgesagt wurde, haben die Herren der Rekruten nun auch die für Oktober geplante Rekrutenvereidigung abgesagt. Das von zahlreichen Demonstranten lautstark gestörte Gelöbnis vor dem Schloß Charlottenburg am 31. Mai vergangenen Jahres bleibt damit das vorerst erste und letzte Rekrutenritual der Bundeswehr in Berlin seit dem Zweiten Weltkrieg.

Ein Sprecher der Bundeswehr begründete den Rückzug offiziell mit der „Verteilung der großen Veranstaltungen in der Öffentlichkeit“. In diesem Jahr werde es in Ostdeutschland nur zwei Rekrutenvereidigungen geben: am 22. Mai in der mecklenburg-vorpommerschen Landeshauptstadt Schwerin sowie einen Tag später in Zittau nahe der tschechischen und polnischen Grenze. Mit den Diskussionen um die jüngste Vereidigung vor dem Schloß Charlottenburg, so der Sprecher, habe die Entscheidung nichts zu tun. Das nunmehr nächste vorgesehene Gelöbnis in Berlin soll nun 1998 vor dem Luftbrückendenkmal in Tempelhof stattfinden – aus Anlaß des 50jährigen Bestehens der Luftbrücke.

Ursprünglich hatte die Bundeswehr vorgesehen, die diesjährige Rekrutenvereidigung am 24. Oktober in der Spandauer Zitadelle abzuhalten. Das Ereignis sollte außerdem im Zusammenhang mit der Spandauer 800-Jahr-Feier und einem gleichzeitig geplanten Großen Zapfenstreich der „starken Truppe“ unter Beteiligung des Verteidigungsministers stattfinden. Hinter den Kulissen wird davon ausgegangen, daß eine Diskussion in der Spandauer Bezirksverordnetenversammlung den Ausschlag für die nunmehrige Entscheidung gegeben hat.

CDU und SPD hatten sich Anfang Januar nicht auf einen gemeinsamen Ort für das Gelöbnis einigen können. Während die SPD den von der Bundeswehr favorisierten Standort Zitadelle unter Hinweis auf die dortige Einlagerung von Kampfgasen während des Zweiten Weltkriegs abgelehnt hatte, plädierte die CDU für ein Gelöbnis in der General-Steinhoff- oder der General-Blücher- Kaserne. Dies wiederum lehnten SPD und Bündnisgrüne ab: In beiden Kasernen war während des Faschismus auch die SS stationiert.

Sowohl die Bündnisgrünen als auch die Kampagne gegen Wehrpflicht begrüßten gestern die Absage.

Einen betont gelöbnisfreundlichen Vorstoß startete unterdessen die Kreuzberger CDU. Sie will in der nächsten BVV-Sitzung einen Antrag einbringen, das Rekrutenspektakel in Kreuzberg zu veranstalten. Begründung: Der Bezirk muß seine „positive Einstellung zur Bundeswehr“ deutlich machen. Uwe Rada