„Kanzler im Rollstuhl“

■ betr.: „Schäuble ist ein Protagonist des Verzichts“ (Interview mit So zialpsychologe Heiner Keupp), „Schäuble ausbremsen“, taz vom 10. 1. 97

Ein rechter Hardliner – wie Schäuble vor seinem Attentat – ist politisch ein harter Brocken. Auf der Ebene der politischen Auseinandersetzung mag er im argumentativen Schlagabtausch bekämpft werden.

Die Projektionen eines Sozialpsychologen zur Verkörperung Schäubles als „asketisch verkniffenen Kompensierer seiner Behinderung“ sind zur Charakterisierung Schäubles wenig geeignet und lenken nur ab.

Schäuble war vor dem Attentat ein Workaholic und hat sich davon auch durch die Attentatserfahrung nicht abbringen lassen, sondern hat sein früheres Lebenskonzept als Spitzenfunktionär wieder aufgenommen. „Protagonist des Verzichts“ wäre Schäuble vor diesem Hintergrund, wenn er sich nach dem Attentat aus dem politischen Leben zurückgezogen hätte.

Dagegen macht sich Schäuble zum Protagonisten von Lebenswillen und macht sein körperliches Handicap – für die Öffentlichkeit schmerzlich wahrnehmbar – zum Bestandteil seiner Auftritte im politischen Leben. Keupp selbst verdeutlich durch die angeführten „Zufallsgespräche“ die Widerstände, die dies im Deutschland des ausgehenden 20. Jahrhunderts noch auslöst. [...] Marie-Luise Seiffert, Hamburg

Schäuble wegen seiner politischen Gesinnung zu stoppen, ist ja gut und schön. Aber das von der Initiativgruppe präsentierte (und von der taz kommentarlos abgedruckte) „Signet“ ist ein Zynismus gegen alle im Rollstuhl sitzenden Menschen! [...] Schäuble mag ja aufgrund von Amt und Geld mit seiner Mobilität weniger Probleme als normalsterbliche RollifahrerInnen haben; aber ein Klotz vorm Rollireifen ist kein Witz, sondern verhöhnt alle Kämpfe und Bemühungen von RollifahrerInnen gegen die unsäglichen vielen alltäglichen Mobilitätsbarrieren für sie in unserer Gesellschaft. U. Penselin, Hamburg