PDS-Parteitag: Sahra in Gelb, Lothar in Grau

■ Der Parteivorsitzende Lothar Bisky hat mit seiner Rede über die PDS-Wahlziele 1998/99 auf dem Parteitag in Schwerin kein Signal für einen Aufbruch geben können

Schwerin (taz) – Sahra Wagenknecht kam ohne ihre rote Samtjacke. Wenn das kein Zeichen war! Die Jungkommunistin präsentierte sich in blaßgelbem Rock, blaßgelber Jacke und weißen Pumps – und schon strahlte sie nur noch halb so viel revolutionäre Entschlossenheit aus. Die Ähnlichkeit mit Rosa Luxemburg war dahin und mit ihr der Status als Popikone der wahren Linken. Den Fernsehreportern fiel das nicht weiter auf, und so stürzten sie sich auf Sahra Wagenknecht, noch bevor der Parteitag begonnen hatte. Wagenknecht sagte das, was sie immer sagte. Aber diesmal klang es aus ihrem Mund seltsam moderat.

Es mußte daran liegen, daß sie schon vor dem Parteitag angekündigt hatte, nicht wieder für den Bundesvorstand zu kandidieren. Sahra Wagenknecht hat gegenwärtig Besseres zu tun – im Frühjahr wird sie einer nicht unbedingt proletarischen Tradition folgen und heiraten. Ihr zukünftiger Mann, so bekennt die 27jährige freimütig, ist kein Kommunist. „Ich brauche Widerrede.“ Die ungewohnte Einfärbung Sahra Wagenknechts war dann auch fast das einzige, was am ersten Tag des 5. PDS-Parteitages ein wenig Glanz ausstrahlte. Ansonsten paßten sich die 538 Delegierten ihrer Umgebung an, sie schienen zeitweise sogar eins zu werden mit der Schweriner Kongreßhalle: Es roch nach Holzbänken, das „Herzlich willkommen“ auf der Anzeigentafel aus dem VEB Robotron konnte sich nur mühsam gegen das Deckenlicht behaupten. Die innerparteiliche Normalität hatte den Parteitag schon früh im Griff. Das Signal zum Aufbruch, zu Professionalität und Regierungsfähigkeit hatte eigentlich Lothar Bisky mit der Begründung des Leitantrags „Grundsätze und Ziele der PDS bei den Wahlen 1998/99“ geben sollen. Am Abend sollte dazu der Leitantrag verabschiedet werden.

Bisky las seine Rede monoton vom Blatt ab, wiederholte die bekannten Positionen der Parteispitze: Er geißelte den sozialen Kahlschlag der Kohl-Regierung und erklärte die PDS „zur Partei der sozialen Frage“. Die PDS habe aber ein anderes Verhältnis zum traditionellen rheinischen Kapitalismus als große Teile von SPD und Grünen. „Wir sind kritischer und radikaler“, rief er und zitierte den Soziologen Ulrich Beck mit den Worten „Die Grundlagen der ersten Moderne sind morsch“, so als wolle er demonstrieren, daß die PDS den Anschluß an die Moderne gefunden hat.

Bisky bekräftigte das Ziel der PDS, gemeinsam mit SPD und Grünen eine radikale Alternative zur Kohl-Regierung zu gestalten. Er zweifelte aber am Willen dieser beiden Parteien, diese Alternative mitzutragen. Also, überschätzte er die PDS, hänge alles an der „Fünf- Prozent-Partei“: „Wir sind diejenigen, die zur Mehrheit gegen Kohl die fehlende Motivation, fehlende Argumente und endlich auch Stimmen beibringen werden.“ Den Ab- und Ausgrenzungsbeschlüssen von SPD und Grünen erteilte er eine klare Absage: „Wir brauchen und wir dulden keine Bewährungshelfer.“ Joachim Raschke, Politologe aus Hamburg und Grünen- Experte, analysierte enttäuscht: „Das war nur die Pose des sozialen Protests. Von einem Parteivorsitzenden kann man doch eigentlich eine zündende Idee erwarten.“ Jens König

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