Kriegsverkaterte Sandalen

■ Die „University Players“ mit Shakespeares Rache-Historien-Spektakel „Troilus and Cressida“ im Altonaer Theater

Troilus and Cressida ist ungefähr so wirr und unglaublich, wie das Stück fehlender Erinnerung, das einem eine gute Freundin nach einer gemeinsam durchzechten Nacht am nächsten Morgen schonungslos nachreicht. Nichts, aber auch gar nichts scheint sich da logisch zu fügen. Und, wie bei allem Verdrängten und Abhandengekommenen in Suff oder Trauma, geht es letztlich auch in Shakespeares Bühnenstück um Lust und Verluste. Um Griechen und Trojaner, die sich wegen verschwundenen oder geraubten Frauen ein ums andere Mal gehörig verhauen, sich eine Menge Blut und Ärger ins Haus holen und immer noch mit dem Dicksten in der eigenen Familie zu rechnen haben.

Troilus and Cressida, halb Rachetragödie, halb Historienstück, gilt als Shakespeares fahrigstes und wüstestes Stück. Und es bleibt schwer zu sagen, in welchen Teilen sich seine bis ins Groteske gipfelnde Inkohärenz bereits aus der zuerst erdachten Vorlage ergibt, oder erst mit den immerhin 5.000 Änderungen, die dem Stück über die Jahrhunderte zu Leibe gerückt sind.

Bei den University Players (des Theatre Workshops vom Seminar für Englische Sprache und Kultur an der Uni Hamburg) läuft das Stück in den heitersten Momenten im Altonaer Theater zu einem Sandalentheater auf, das es an Geschwindigkeit und Komik mit jeder Historiengroteske aus dem Monthy-Python-Werk aufnehmen kann. Mit sicherem Gespür für die feinen Bosheiten und hintergründigen Pointen hinter Shakespears schwelgerischen Wortkaskaden oder scheinbar nüchternen Marginalien manövrieren sich die Darsteller mit beeindruckend fließendem Englisch durch den langen Bühnentext. Und jedem der rund 30 Akteure gelingt es, schon allein mit Stimme und Intonation seine Figur mit Unverwechselbarkeit und Eigensinnigkeit auszustatten. Eine Qualität, die sich angesichts eines schnell übervölkerten Bühnenraums, dramaturgisch rasch bezahlt macht. Ansonsten geht's meist brav, ganz nach Vorlage zu. Troilus, der seine Cressida bald im Feindeslager und obendrein in dem Armen des griechischen Gegenstreiters Diomedes findet, ist für die romantischen Gesänge und, nach Cressidas Betrug, für die galligsten Ausbrüche zuständig. Durch ihn wird hier der Trojanische Krieg nocheinmal zur Arena eines umgeleiteten Geschlechterkampfes und Potenzneides.

Pikanter wird die Inszenierung erst mit dem eitlen Muckifuzzi Achilles, der lieber mit seinem Epheben herumschnubbelt, als einer kriegsverkaterten Truppe neue Siege zu verheißen. So sind es vor allem kleine Gesten und geschicktes Timing, die eine eitle Machtgebärde an einen Slapstick verraten oder eine Parade als Hahnrei diskreditieren. Und wenn der dummbackige Grieche Ajax zu Champion-Fanfaren gegen Favorit Hector antritt und Diomedes dazu eine donnernde Einschüchterung wie ein Moderator beim Catchen heruntersabbelt, sind das die glücklichen Momente, in denen sich die Inszenierung von Stefan Grund wenigstens ein bißchen vom Konventionellen weg traut.

Birgit Glombitza