Der Staat, dein Freund und Dealer

In Reinickendorf residiert das Branntweinmonopol des Bundes. Rohalkohol wird aufgekauft und an Schnaps- oder Kosmetikfabriken weitergegeben. Doch die Herrschaft ist angeknackst  ■ Von Hannes Koch

Prost! Albrecht Jung serviert immerhin 96volumprozentigen Alkohol auf einem bauchigen Maschinendeckel. Die klare Flüssigkeit hat er aus einem Zapfhahn im Rohrgewirr der Reinigungsanlage abgelassen. Der fast reine Sprit riecht würzig, ein bißchen nach Korn, und er prickelt auf der Zunge.

„Ich bin kein Kostverächter“, sagt Betriebsleiter Jung. Was nicht heißen soll, daß er sich öfters einen aus seinen Rohrleitungen genehmigt. Mit dem Ausgangsprodukt der hochprozentigen Spirituosen hat der grauhaarige 55jährige Jung seit fast vierzig Jahren täglich zu tun. In dieser Zeit hat er sich bei der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein vom kaufmännischen Lehrling hochgedient zum Chef der staatlichen Alkoholreinigungsanlage in Reinickendorf. Das Branntweinmonopol existiert annähernd doppelt so lang, wie Jungs bisheriges Arbeitsleben dauerte. Die Nachdrucke der Amtsblätter, die unter Glas in seinem Büro hängen, dokumentieren die Geschichte des Monopols seit seiner Gründung 1918. Das Hakenkreuz aus der Nazizeit hat der Betriebsleiter mit einer Ein-Pfennig- Münze verdeckt.

Die vornehmste Aufgabe der Organisation ist es, sämtlichen deutschen Rohalkohol aufzukaufen und ihn an Schnaps-, Kosmetik- und Pharmafabriken weiterzugeben. Früher erwirtschaftete der staatliche Drogenhandel auf diese Art schöne Gewinne und füllte oft genug die Kriegskasse. Denn das Monopol zahlte den Brennereien für den Rohalkohol, den sie lieferten, weniger, als der Weiterverkauf des gereinigten Sprits an Spirituosenhersteller einbrachte.

Seit 1976 jedoch hat sich das Verhältnis umgekehrt: Das Monopol ist heute ein Zuschußgeschäft und verschlingt rund 300 Millionen Mark plus 100 Millionen Betriebskosten pro Jahr. „Subventionen, die die mittelständischen Brennereien am Leben erhalten“, erklärt Werner Albrecht vom Landwirtschaftsministerium in Bonn. Denn das sogenannte Monopol ist gar keines mehr: Seit der Europäische Gerichtshof Importe von Rohalkohol erlaubte, sanken die Marktpreise auf ein Drittel.

In der denkmalgeschützten Fabrikhalle an der Provinzstraße ist es warm und die Luft erfüllt vom Zischen der 20 Meter hohen Destillierkessel. Unten wird der 85prozentige Agraralkohol, von den Brennereien aus Getreide und Kartoffeln gewonnen, mit kochendheißem Wasserdampf versetzt. Das Gemisch quillt in dem Metallbehälter nach oben. Beim Aufstieg nimmt die Temperatur immer weiter zu, auf der 66. Stufe tritt dann der reine Alkohol aus.

Rund 1,5 Millionen Liter Sprit stellen die Reinickendorfer so pro Jahr her – rund 15 Prozent der gesamten Menge des Branntweinmonopols, das außerdem noch Anlagen in München, Nürnberg und Wittenberg betreibt. Nach der Reinigung fahren Tankwagen die berauschende Last zum Beispiel in die Berliner Fabrik der Familie Gorbatschow, wo nur noch etwas Wasser und Aroma zugesetzt wird: Fertig ist der Wodka.

Wohlgemerkt: Der Staatshandel kanalisiert nur geistige Flüssigkeit, die für Gin, Genever, Wodka und Liköre, außerdem für Kosmetika (Haarwasser), Arzneimittel und Branntweinessig Verwendung findet. Viele Spezialitäten, zumal importierte wie Cognac und Whiskey, unterliegen ihrer Kontrolle nicht. Wein und Bier sind ebenso außen vor.

Ob das Monopol das nächste Jahrhundert noch erlebt, ist sehr ungewiß. Wegen der hohen Kosten will der Bund den Laden privatisieren. Doch Fabrikleiter Albrecht Jung sieht keine Gefahr für sich und seine 46 Beschäftigten: „Das ist alles so kompliziert, daß man kaum sparen kann.“