Fünffacher Tod durch reines Heroin

Innerhalb kürzester Zeit starben in Bremen fünf Junkies. Die Polizei befürchtet weitere Todesfälle, weil „der Dealer sicherlich nicht nur fünf Schuß verkauft hat“, und leitet intensive Fahndung ein  ■ Aus Bremen Katja Ubben

Eine mysteriöse Serie von Todesfällen unter Junkies hat am Wochenende die Bremer Drogenszene in Atem gehalten. Fünf Männer im Alter von 27 bis 32 Jahren starben am Samstag binnen weniger Stunden an einer Überdosis hochreinen Heroins, das normalerweise nur gestreckt gedealt wird. Die Fahndung nach einem mutmaßlichen Dealer dauert an.

Obwohl bis zum Sonntag nachmittag kein weiterer Todesfall mehr bekannt wurde, befürchtet die Bremer Polizei noch weitere Todesopfer. „Wir gehen davon aus, daß der Dealer sicherlich nicht nur fünf Schuß verkauft hat“, sagte Rolf Bader, Bremer Kommissar vom Dienst am Sonntag nachmittag – knapp 36 Stunden nach dem ersten Todesfall. Drogenberater rufen deshalb jetzt zur Vorsicht auf: Junkies sollten bei Bedarf sofort einen Notarzt rufen.

Am Freitag gegen 1 Uhr nachts fanden Mitbewohner einen 27jährigen tot in einer Wohnung im Ortsteil Hemelingen. Acht Stunden später starb ein 32jähriger Mann im Ortsteil Neustadt. Zwei Stunden danach lag ein 30jähriger tot in seinem Bett. Zwei weitere Männer starben am Samstag nachmittag in einer Grünanlage.

Wegen der Todesserie rief die Polizei am Samstag abend zum Großalarm auf: Rund 130 Beamte informierten die Drogenszene im Steintorviertel per Lautsprecheranlage. Doch fast sechzehn Stunden nach dem ersten Todesfall war die Todesursache der Männer noch immer unklar – und selbst die genaue Drogenart nicht bekannt. Am Sonntag morgen um 5 Uhr präsentierte die Polizei endlich ein Ergebnis: Die Junkies hätten sich mit 60prozentigem Heroin einen goldenen Schuß gesetzt. „Üblich sind 10 Prozent“, so Kommissar Rolf Bader. Ein Toxikologe aus Hannover hatte über Nacht Blut- und Urinproben der Verstorbenen untersucht. Die Leichen sollen jetzt noch obduziert werden.

Doch wie der superreine Stoff nach Bremen kam, kann sich die Bremer Polizei noch nicht erklären. „Keine Ahnung, woher das Zeugs kommt“, so Kommissar Bader. Zwei verdächtige Hintermänner habe man nach einigen Stunden wieder freigelassen. Jetzt folgt die schwierige Ermittlungsarbeit: „In der nächsten Woche sehen wir weiter und kämmen die Szene mal durch.“

In der Bremer Drogenszene ist am Sonntag bereits Ruhe eingekehrt. Drogenarbeiter Rainer Ewert hat in seiner Übernachtungsstätte im Ortsteil Schwachhausen überall Warnzettel ausgehängt. „Ich gehe davon aus, daß es einfach ein unerfahrener Dealer war, der das Heroin nicht gestreckt hat“, sagt er. Doch die Junkies selbst sehen das anders. „Die Leute sind selber schuld, die das Zeug genommen haben“, sagt Junkie Stefan. Er vermutet, daß der Dealer den reinen Stoff „irgendwie aus dem asiatischen Ausland mitgebracht hat“ – und den jetzt fünf Toten auch als reines Heroin verkauft hat. „Aber die wollten das nicht glauben, weil es so reines Zeug in Bremen eigentlich gar nicht gibt.“ Die tödliche Konsequenz: eine heftige Überdosis auf dem Löffel.

Junkie Stefan will jetzt „einfach besser aufpassen“, doch Angst hat er nicht. Auch Szenekenner und Drogenhelfer Rainer Ewert weiß: „Die nehmen so eine Todesserie ganz cool. Auch wenn sie ungewöhnlich für uns ist. Die Spanne zwischen Leben und Tod ist da eben nicht so groß.“