Goldelse soll unter die Haube kommen

■ Der Bezirk Tiergarten plant, den Sockel der Siegessäule zu verpachten. Die Konzeptionen reichen vom Bistro bis zur deutsch-französischen Ausstellung. Auch schwul-lesbischer Ratschlag meldet Interesse a

Die Lady wiegt 40 Tonnen und ist heiß begehrt: Um die Hand der „Goldelse“, die auf der Spitze der Siegessäule steht, halten recht unterschiedliche Kandidaten an.

Der Bezirk Tiergarten will den Säulensockel und die vier Torhäuser am Großen Stern, so Baustadtrat Horst Porath (SPD), „verpachten, um die Attraktivität des Standorts zu steigern“. Über die Art der Nutzung jedoch gibt es verschiedene Auffassungen. Um die Gunst der goldenen Dame buhlen sowohl der Gastronom Hans Studinger als auch die Deutsch-Französische Gesellschaft (DFG). Während Studinger eine Mischung aus Kultur und Gastronomie vorsieht, schwebt der DFG eine Ausstellung zu den deutsch-französischen Beziehungen vor.

„Wir müssen einen neuen Ansatz finden, uns mit dem Siegesdenkmal auseinanderzusetzen“, betont Peter Schuster, SPD-Abgeordneter im Preußischen Landtag und Mitstreiter der DFG. Die Siegessäule, 1873 eingeweiht, erinnert an drei Siege Preußens in den „deutschen Einigungskriegen“ gegen Frankreich, Dänemark und Österreich. Die DFG lehnt eine kommerzielle gastronomische Nutzung des Säulenbauches ab und fordert eine öffentliche Diskussion. „Die DFG meint, ich wollte eine Pommesbude in der Siegessäule einrichten, aber das stimmt nicht“, hält Studinger dagegen. Im Februar 1996 sei Stadtrat Porath mit der Bitte an ihn herangetreten, zu prüfen, wie das Siegessäulenensemble zu nutzen sei. In seinem von ihm „aus Spaß“ erstellten Konzept, das inzwischen auch Jörg Haspel, Leiter des Landesdenkmalsamts, vorliegt, ist einer von zehn Räumen im Sockel der Siegessäule als Bistro eingeplant. Die anderen Räume sollen nach Ansinnen Studingers „völkerverbindenden Charakter“ haben und beispielsweise Platz für wechselnde Ausstellungen bieten. Für eines der Torhäuser stellt sich Studinger ein weiteres Bistro vor, an das im Sommer ein Pavillon mit gastronomischem Angebot für 100 bis 200 Leute angeschlossen werden soll. „In den Unterführungen könnten sich die europäischen Metropolen vorstellen“, führt Studinger aus. Für angemessen hält er außerdem ein kleines Reisebüro „für Spontanflüge“ in diese Städte. Die Torhäuser bilden die Eingänge zu den Unterführungen, über die die Mittelinsel des Großen Sterns zu erreichen sind.

Im Gegensatz zu Porath geht Studinger nicht davon aus, daß eine Ausschreibung des Projekts erforderlich sei. „Das Konzept ist schon ein halbes Jahr öffentlich, und bis jetzt sind keine Einwände erhoben worden“, verteidigt der Gastronom, der seit 1990 den Konzertsommer im Englischen Garten organisiert, seine Planungen.

Um eine Verfremdung des preußischen Siegerdenkmals ganz anderer Art geht es dem schwul- lesbischen Ratschlag. Der von den Grünen-PolitikerInnen Ida Schillen und Anselm Lange initiierte Zusammenschluß befürwortet die Suche nach lesbischen oder schwulen BewerberInnen. Inoffiziell sei die Siegessäule schon lange ein schwules Symbol, bekräftigt Peter Polzer, Redakteur des gleichnamigen schwulen Stadtmagazins, und zwar nicht nur als „Phallussymbol“. „Der Tiergarten ist ein traditionell schwules Gebiet“, betont Polzer. Da die Heirat von schwulen und lesbischen Paaren jedoch nicht erlaubt ist, dürfte es die Initiative schwer haben, die „Goldelse“ ans andere Ufer zu locken. Monika Hinner