Im Schatten der Alten

■ Die Grünen im Abgeordnetenhaus wählen heute ihren Vorstand. Nur wenigen "neuen" Abgeordneten glückte es bisher, sich gegen die "Alten" zu behaupten

Noch einmal will er antreten. Wolfgang Wieland, seit 1993 Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus, will heute für ein weiteres Jahr für die Doppelspitze der Fraktion kandidieren. Auch Sibyll Klotz, die seit einem Jahr mit Wieland die Fraktion nach außen vertritt, wird sich erneut zur Wahl stellen, ebenso wie Renate Künast. Um die zwei freiwerdenden Plätze im fünfköpfigen Vorstand bewerben sich zwei Abgeordnete aus dem Ostteil der Stadt, Jeanette Martins, mit 29 Jahren die Jüngste in der Fraktion, und Vollrad Kuhn, wirtschaftspolitischer Sprecher.

Überraschende weitere Kandidaturen sind nicht ausgeschlossen. Doch rechnet kaum jemand damit, daß sich an der Fraktionsspitze etwas verändert. Insofern ist die Zusammensetzung des Vorstands symptomatisch für die 30köpfige Fraktion: die „alten Hasen“, die schon die zweite oder gar dritte Legislaturperiode im Parlament sitzen, spielen nach wie vor die erste Geige. Nur wenigen der 15 Abgeordneten, die vor einem Jahr erstmals ihr Büro im ehemaligen Preußischen Landtag bezogen, ist es gelungen, sich in der Öffentlichkeit zu profilieren. Im Baubereich hat sich Ida Schillen hervorgetan, in der Mietenpolitik Barbara Oesterheld, und Elfi Jantzen glückte es, einige elternfreundliche Änderungen beim Kitagesetz durchzusetzen.

Aus dem Schatten der routinierteren „Alten“ hervorzutreten ist nicht gerade ein leichtes Unterfangen. Innenpolitiker Norbert Schellberg ist im Innenausschuß von Fraktionschef Wieland flankiert und im Rechtsausschuß von Renate Künast. Burkhard Müller- Schönau muß sich im Verkehrsausschuß gegen Michael Cramer behaupten, im Hauptausschuß gegen Michaele Schreyer.

Noch vertiefen sich die Neuen vor allem in ihre Fachgebiete, in die allgemeinpolitischen Debatten mischen sie sich seltener ein. In einem Jahr könne man den Vorsprung der Alteingesessenen aber auch kaum aufholen, meint Sibyll Klotz.

Auch die Medien, die reflexartig die schon bekannten Köpfe befragen, tragen das Ihre dazu bei, daß die Altparlamentarier eher in der Öffentlichkeit präsent sind als die Neuen. Da kommt es schon einmal vor, daß die keineswegs medienscheue Sybillle Volkholz Journalisten darauf hinweist, daß für Schulfragen jetzt Uwe Dähn zuständig ist. „Streichen Sie mein Zitat“, schlägt sie zugunsten ihres Kollegen vor.

Der Zuwachs der grünen Fraktion von 23 auf 30 Sitze führte nicht zuletzt dazu, daß sich jetzt mehrere Abgeordnete im gleichen Politikfeld tummeln. Eine Konkurrenzsituation, die vielfach zu Konflikten führte. Dennoch wird das Fraktionsklima übereinstimmend als positiv bezeichnet. Die Konfliktlinien verliefen weder nach dem Muster von alt/neu, noch nach Ost/ West oder Zugehörigkeit zu einem politischen Lager.

Als grüne Schwerpunkte in diesem Jahr sieht Sybill Klotz neben Alternativen zur Haushaltspolitik der Großen Koalition die Debatte um die Gebietsreform. Als eine Bedingung für die Zustimmung der Grünen nannte sie die Einführung des politischen Bezirksamtes. Weitere Schwerpunkte seien die Sozialpolitik und, wie Renate Künast ergänzt, die kritische Begleitung des Umzugs der Bundesregierung und die Frauenpolitik. Dorothee Winden