BWL am Kiosk

■ Diesen Monat stellt "Impulse" seine Ostausgabe ein - nun leistet nur noch "Capital" lebensnahe Reeducation

„Der Apfel ist laut Umfrage das bebliebteste Obst in den alten Bundesländern, ihm folgt die Banane. In den neuen Bundesländern ist es umgekehrt“, meldete das Wirtschaftsmagazin Impulse einst in seiner Ostausgabe. Derartige Informationen über „gesamtdeutsche Befindlichkeiten“ werden wir künftig missen müssen. Denn mit der Januarausgabe stellt Gruner+Jahr das Heft ein. Damit ereilt Impulse dasselbe Schicksal wie die Wirtschaftswoche und DM (Handelsblatt-Gruppe), die ihre Ostverwandtschaft bereits Ende 1993 beziehungsweise 1995 begruben.

Was den Konsum von Bananen anging, lagen die neuen Bundesländer nach der Einigung zwar schnell vorne, in anderen Wirtschaftsbereichen witterte G+J allerdings noch Nachholbedarf. Seit 1992 schickten die Impulse-Macher daher das ABC der Marktwirtschaft von ihrer Kölner Wirtschaftswarte aus gen Osten – inclusive eines Solidarabschlags: Für vier Mark ging Impulse Ost über die Theke, die Westausgabe kostet zehn.

„Das Magazin für unternehmerischen Erfolg in den neuen Bundesländern“ sollte nicht nur billiger sein, sondern auch so aussehen. Ein zu lebhaftes Layout hätte die an sozialistische Farblosigkeit gewöhnten Ossis ohnehin nur verschreckt – so wurde gemutmaßt. „Der einfache Nutzwert stand im Vordergrund“, sagt Marlene Brockmann, vormals geschäftsführende Redakteurin der Ostausgabe. So kam das neue wirtschaftliche Wir-Gefühl in Telekom-Rosa und -Grau an die Kioske der ehemaligen DDR. „Außerdem haben wir immer versucht, die Zielgruppe selbst auf den Titel zu nehmen“, sagt Brockmann, für die „da ein bißchen der Stolz auf die eigene Leistung mitschwingt“.

Und weil der emotionale Wiedererkennungseffekt eine große Rolle spiele, fand sich zwischen den aufstrebenden Ostunternehmen auch so manche frohlockende „Ost schluckt West“-Geschichte auf dem Titelblatt wieder. Exotisches Vokabular wie Franchising, Bench-marking oder Incentives wurde jenseits weltmännischen Fachsimpelns einfach erklärt. Für Marlene Brockmann war es das Ziel, „die ganzen Sachen ein bißchen didaktisch zu bringen, für jeden nachvollziehbar“. Die klassischen Wirtschaftspressethemen wie Versicherungen, Steuern, Marketing, Rente und Aktien rollten die Redakteure von vorne auf und präsentierten sie möglichst praxisnah. Mit deutsch-deutscher Nächstenliebe hatte die Mission Marktwirtschaft freilich wenig zu tun. Eher schon sollte die Ostausgabe den Markt für das Hauptheft ebnen und Anzeigenkunden ködern, die West- und Ostheft im günstigen Doppelpack buchen konnten.

Doch so recht wollten sich die ostdeutschen Leser mit dem gedruckten Volkshochschulkurs BWL nicht anfreunden: Durchschnittlich wurden lediglich 8.000 Hefte verkauft. Aber nicht die bescheidene Auflage habe laut Verlag zur Einstellung von Impulse Ost geführt, sondern daß „die Leute drüben nicht mehr in den Kinderschuhen stecken“. Das Informationsniveau habe sich so weit angenähert, daß keiner mehr auf Wirtschaftsnachhilfe angewiesen sei. Das zeige sich daran, daß sich Impulse West zunehmend auch im Osten etabliere, so der Chefredakteur des Stammhefts, Wolfram Baenke. Während er im Editorial der letzten Ausgabe von „unserer kleinen Wiedervereinigung“ schwärmt, zeigt sich Marlene Brockmann ob so viel Eintracht allerdings eher skeptisch: „Das ist jetzt ein gemeinsames Westheft – wenn auch gesamtdeutsch genannt“, sagt sie.

Daß das Reeducation-Programm für G+J noch nicht völlig vom Tisch ist, zeigt der Erfolg von Capital – auflagenstärkste Wirtschaftszeitschrift auch im Westen. „Verdienen wie im Westen“ versprach die erste Ausgabe im Mai 1991 – und 45.000 Ostdeutsche griffen zu. Bei einem Dumping- Verkaufspreis von 2 Mark (heute 3,50) kein Wunder. Die letzten Jahre hat Capital im Kampf um Marktanteile im Osten die höchste Auflage davongetragen. Zuletzt verkaufte das Projekt Wertewandel 41.997 Exemplare (im dritten Quartal 96). Kein Wunder, daß Kai D. Eichstädt, geschäftsführender Redakteur der Ostausgabe des Wirtschaftsmagazins, nicht nachvollziehen kann, daß es im Osten nichts mehr zu tun geben soll: „In den neuen Ländern gibt es heute noch ganz andere Probleme, ein ganz anderes Grundinformationsniveau“, glaubt er.

Und so plaudert sein Team als letzte Wirtschaftsredaktion für den Ostmarkt „jeden Monat aus dem Schatzkästchen des Kapitalismus“ – Capital statt „Kapital“. Dabei wird die Lesernähe schon auf dem Titel angekündigt: „Das Wirtschaftsmagazin aus den neuen Bundesländern“ heißt es dort. Was aber nicht bedeutet, daß die Lockungen der Westwirtschaft weniger reißerisch feilgeboten werden. Antonetta Fiori