Lummer und Gysi sind gut

Ein Gespräch mit Jugendlichen in Fürstenwalde über Ausländer, Politik, Ost und West: Toni, 18 Jahre alt, Malerlehrling, Ronni, 21 Jahre, arbeitslos, Klaus, 17 Jahre, Gymnasiast

taz: Wie würdet ihr euren politischen Standort sehen?

Klaus: Ich bin national und stolz auf mein Land, das ich mit allen Mitteln verteidigen würde, allerdings nicht mit Gewaltakten oder anderem unorganisierten Schwachsinn. Von Republikanern und DVU halte ich nicht sehr viel. Die sind wie Hunde ohne Zähne. Den Herrn Lummer von der CDU finde ich von den Ansichten her sehr gut. Die konservativ-nationale Richtung der CDU ist, was mir am nächsten kommt.

Toni: Ich würde mich relativ neutral mit rechtem Hintergrund bezeichnen. Gregor Gysi kommt mir am nächsten. Der läßt sich nicht unterbuttern und hat immer das letzte Wort, hat auf jede Frage eine Antwort, der weicht nicht aus. Gysi hat ganz vernünftige Ziele. Er ist einfach in der falschen Partei.

Ronni: Ich bezeichne mich als Nationalsozialisten. Das heißt für mich: eintreten für Grund, Blut und Boden, sein Land beschützen.

Was sind für euch die zentralen politischen Probleme?

Ronni: Guck mal die deutschen Kinder hier auf der Straße an, die sitzen an zwei Tankstellen rum, und für die ausländischen geben sie das ganze Geld aus. Ich bin arbeitslos und auch noch Sozialhilfeempfänger. Wenn ich sehe, daß die Asylanten ins Sozialamt gehen und Geld abkassieren – und du mußt dort um jede Mark betteln...

Klaus: Ich sehe das ähnlich mit dieser ungleichen Geldverteilung. Da kommt Ungerechtigkeit hoch. Ich habe zwar noch nicht gearbeitet, aber ich sehe es an anderen, die ein Leben lang hart gearbeitet haben, die leben jetzt auf der Straße und können ihren Lebensabend nicht so fristen wie andere Leute, die eigentlich gar nicht hier sein sollten. Auch wenn sie kein Asylrecht bekommen, kriegen sie immer noch so viel Geld, daß sie essen können. Die sollten für jedes Stück Brot, das sie bekommen, auch arbeiten, und zwar gemeinnützig. Es kann nicht sein, daß es in einer Stadt nur einen kommunalen Jugendklub gibt, immer noch die Mittel gekürzt werden und gleichzeitig Geld in Fremde gesteckt wird.

Wie spürst du die Kürzungen?

Klaus: Man spürt sie nicht direkt. Aber wenn man mir sagt, daß es auf die Kindheit zurückzuführen ist, wenn Jugendliche Straftaten begehen, weil keiner da war für sie, aber dann trotzdem die Sozialleistungen für Jugendliche und Familien gekürzt werden, dann verstehe ich das nicht.

Und der ganze Umzug nach Berlin, was das für ein Geld kostet. Da muß dann unbedingt ein Kindergarten für die Kinder aus Bonn sein. Man muß doch versuchen, Klassenunterschiede abzubauen.

Wird wieder auf zu viele Klassengegensätze hingearbeitet?

Klaus: Ja, zum Beispiel das Transrapid-Projekt. Da wird eine Strecke geplant, bestimmte Dörfer sollen verlegt werden, dann wollen die nicht und halten die Planung über Jahre hinweg auf. Das Ganze kostet Geld. Das kann man nicht einfach am deutschen Arbeiter – der größten Macht in der Bevölkerung – auslassen.

Hat die Jugend eine Zukunft?

Klaus: Hier in Fürstenwalde? Nein!

Ronni: Die großen Betriebe schließen. Die Einzelunternehmen können sich keine Arbeiter leisten.

Wie viele Jugendliche sind arbeitslos?

Ronni: Es sind nicht viele, aber es werden immer mehr.

Toni, was ist für dich das zentrale politische Problem?

Toni: Die Steuern. Ständig schrauben sie die Steuern hoch, und bei sich hauen sie die Diäten rauf. Und wir Kleinen müssen dann bluten.

Dann die ganze Außenpolitik. Ständig wird Kohle in andere Länder gebracht. Und wir müssen dann das ganze Geld aufbringen, um die Asylanten unter Kontrolle zu halten, die verbotenerweise hier sind.

Was haltet ihr von der Demokratie?

Ronni: Demokratie ist doch nur etwas für die Oberen. Ich sehe absolut keinen Vorteil darin. Ist doch totaler Quatsch. Wir haben zu viele Parteien. Wer wählt denn? Doch nur die, die Kohle haben. Wenn dein Chef erfährt, daß du PDS gewählt hast und er CDU, ist das doch ein Grund, dich zu feuern.

Kennst du solche Fälle?

Ronni: Nein, aber ich schätze doch mal so.

Du bist also davon überzeugt, es gibt keine Meinungsfreiheit?

Ronni: Ach, sowieso nicht, Pressefreiheit ebensowenig.

Toni: Mit der Demokratie ist es in Deutschland nicht weit her. Die Leute, die an der Macht sind, bleiben an der Macht, da wird sich nicht viel ändern. Kleinere Parteien werden einfach verboten. Dann Ausschüsse, das Hickhack. Ist doch rausgeschmissenes Geld.

Klaus: Demokratie an und für sich ist ja nicht schlecht. Schön fände ich es, wenn auch eine nationale Partei möglich wäre, die nationale Interessen toll vertreten würde. Ich habe vorhin gesagt, daß ich die CDU befürworte.

Die ist ja nun an der Regierung...

Klaus: Deutschland geht es ja nun nicht nur so schlecht, weil die CDU an der Regierung ist. Ich sehe, da wird ein Vorschlag gemacht, dann wird das wieder aufgeschoben und blockiert. Ich gebe nicht nur meiner Partei, der CDU, die Schuld, sondern das ist das ganze System.

Im Vergleich zur DDR gibt es nun viele Freiheiten, die die Bürger sich damals wünschten...

Toni: Klar, man kann jetzt frei wählen, aber das bringt nichts, es passiert ja nichts. Und Meinungsfreiheit, die gibt es immer noch nicht. Wenn du deine Meinung sagst, hast du gleich wieder die Bullen am Hals.

Hast du das erlebt?

Ronni: Ich habe das erlebt. Staatsschutz! Hier war mal eine Multikulti-Woche, und da waren haufenweise Ausländer eingeladen. Da sind wir mit zwei Plakaten hochmarschiert und wollten eine friedliche Demonstration machen.

Was stand auf dem Plakat?

Ronni: „Geld für das Ausländerfest und kein Geld für die deutsche Jugend. Wir werden euch das danken.“ Wir hatten das fünf Minuten gezeigt, dann kam der Staatsschutz an und der Polizeipräsident von Fürstenwalde und haben uns runtergeschubst. Unten haben die Einsatzwagen gewartet und uns abtransportiert. Hier hast du absolut keine Freiheiten.

Wie erklärst du dir die Reaktion des Staatsschutzes?

Ronni: Ich schätze mal, die wollen keine Regierung mehr wie 38. Will ja auch keiner. Aber, daß unsere nationalen Interessen vertreten werden, das ist wichtig.

Klaus: Das hat alles mit Verantwortungspolitik zu tun, die hier betrieben wird. Daß man immer noch auf dem Dritten Reich herumreitet, auf zwölf Jahren, obwohl wir eine Geschichte von zweitausend Jahren haben. Ich höre ständig: Laß das nur nicht mehr kommen, nur nicht mehr kommen, blablabla...

Was hast du denn als 17jähriger mit der Nazizeit zu tun?

Klaus: Wenn ich Steuerzahler wäre, würde ich mich betroffen fühlen, wenn man ständig neue Denkmäler einweiht mit „Sechs Millionen Juden wurden umgebracht“. Klar, stimmt alles, ich würde Auschwitz nie leugnen, aber es wurde genug Buße getan. Sollen meine Kinder noch dafür verantwortlich gemacht werden? Ich werde mich auch niemals dafür entschuldigen.

Das verlangt auch niemand.

Klaus: Was wollen die Leute eigentlich noch. Ignatz Bubis kommt her und erzählt von Wiedergutmachung, und wir sind alle noch schuldig, blablabla, alle Mann, die Juden würden immer unterdrückt. Ich spüre nichts davon, daß Juden unterdrückt werden. Das kann ich gar nicht sagen. Einige Versandhäuser werden von Juden geleitet, da boykottiert niemand, da kauft jeder ein. Es wird nicht gesagt, du füllst gerade eine jüdische Versandhauskarte aus, oder du trinkst jüdischen Sekt. Wo kommen wir da hin? In der Zeitung stand, die Deutschen sind noch nicht tolerant genug. Wie tolerant sollen wir denn noch sein? Sollen wir uns die Leute in die Wohnung holen?

Was fällt euch zum Stichwort Westen ein?

Ronni: Hahaha...

Toni: Der Westen steht für Fortschritt, Macht und Geld. Wenn du jemanden siehst, der nicht so viele Mittel und Geld hat, höre ich ständig: Guck mal, ein blöder Ossi.

Für was steht der Osten?

Ronni: Die DDR damals war ja eigentlich nicht schlecht. Die niedrigen Kosten – Miete, Essen. Jeder hatte eine Arbeit. Hinter jedem Arbeitsplatz waren drei Arbeiter, das wurde total lässig gesehen. Es war gemütlich.

Wodurch unterscheiden sich für euch Ost- und Westdeutsche?

Toni: Mit einem Wessi kriegt man sich schnell in die Haare, weil die richtig vernarrt in ihre eigene Meinung sind. Die Ossis sind ihren Mitmenschen gegenüber toleranter.

Ronni: Im Westen gibt es unter den Jugendlichen so einen Mischmasch. Da hängen Deutsche und Ausländer zusammen und verstehen sich gut. Das hat man hier nicht so. Wir haben im Osten zwar auch mit Ausländern gelebt, aber zu denen hatte man keinen Kontakt. Die hatten ihre Siedlung und wir unsere.

Und das war okay?

Ronni: Klar. Da gab es nicht so eine Rassenschande. Nimm mal die USA, das ist ja ein tolles Multikulti-Land, da herrscht Gewalt. Da bekriegen sich die Vietnamesen mit den Negern, die Neger mit den Weißen und die Weißen mit den Latinos. So wird das in zehn Jahren hier auch sein.

Toni: Ist doch schon so.

Ronni: Na ja, noch nicht ganz so schlimm.

Da wären wir wieder einmal bei einem eurer Lieblingsthemen. Weshalb diese Probleme mit Ausländern?

Klaus: Es geht nicht darum, daß sie eine andere Hautfarbe haben. Meistens wurden irgendwelche Mädels angemacht, dadurch fühlte man sich persönlich angegriffen, und es folgten Racheakte. Wären sie rassisch motiviert, dann würde man nicht nur in der Disco einen auf die Schnauze hauen, dann wäre das größer angelegt. Was in Fürstenwalde passiert, sind persönliche Differenzen, weil man von Ausländern blöd angemacht wurde.

Zum Beispiel von libanesischen Hausfrauen, denen auf dem Markt die Kopftücher heruntergerissen werden?

Ronni: Ich weiß, was du meinst. Klar, es gibt haufenweise Spinner, die grundlos Ausländer verprügeln, aber das machen die genauso. Neulich wurde ein Mädchen von uns von Indern angemacht, die hatte einen deutschen Freund. Dann sind mehrere Deutsche hingekommen, dann hast du die Türken aus ihren Wagen rausspringen sehen, mit Ketten, Schwertern etc. Dann kriegst du Angst und rennst weg, aber die Wut steckt noch im Bauch, wenn du einen Inder siehst.

Was nun, Inder oder Türke?

Ronni: Inder.

Du sprichst auch den Überfall auf den Dönerstand an. Aber dazu sage ich nichts. Wir kennen in Fürstenwalde die ganzen Nationalsozialisten, wenn das einer liest, „Fürstenwalde – Dönerstand“... Da gibt es unterschiedlichste Meinungen darüber...

Eßt ihr Döner?

Klaus: Nein.

Ronni: Nein. Mit dem Geld würden die nur noch mehr Dönerstände aufbauen. Wir haben in Fürstenwalde schon acht Dönerstände, drei Pizzerien, Chinarestaurant...

Toni: Wo schon Fälle bekannt geworden sind mit Hunden und Katzen...

Ronni: Ja, ja. Griechische Restaurants, und wir haben im Höchstfall nur fünf deutsche Restaurants und deutsche Imbisse.

Was fällt euch zum Stichwort gerechte Gesellschaft ein?

Klaus: Gleichheit vor dem Gesetz fällt mir dazu ein. Aber das spürt man auch nur selten. Leute, die mehr finanzielle Mittel haben, können bessere Rechtshilfen einholen. Der Arbeiter wird in der Gesellschaft nicht als gleichwertig angesehen. Es zählt nicht mehr die Leistung, sondern nur die Herkunft. Es kommt doch kaum noch ein Politiker aus dem Proletariat, das sind alles Doktoren und so.

War das alles anders im Arbeiter-und-Bauern-Staat?

Klaus: Ja. Die DDR war ja auch vom Grundgedanken her gut, aber da wurde viel kaputtkonstruiert, weil zum Beispiel ein Gabelstaplerfahrer plötzlich in der Produktionsleitung war.

Ronni: Die DDR war nicht schlecht, nur wurde sie leider auf dem Grundsatz der UdSSR aufgebaut. Die FDJ und die Jungpioniere, die gab es damals im Dritten Reich genauso. HJ und Jungvolk, die hatten die gleiche Funktion. Die haben die jungen Menschen da hineinerzogen, für die Partei, die SED, ihr Ding auszuführen. Wurden alle brave Bürger und sagten, der Westen sei Scheiße.

Toni: Wer im Osten ein Penner war, der war selber schuld. Wer ewig keine Arbeit hatte, der wurde von der Polizei aufgesucht. Das war ja ganz vernünftig. Die ganze Zeit auf der faulen Haut liegen, das geht ja nicht. Man muß ja was tun, wenn man überlegt, daß unsere Renten nicht sicher sind. Unsereins weiß ja gar nicht, ob er mal seine Rente kriegt. Ich habe Angst vor der Entwicklung.

Klaus: Die Mentalität unter den normalen Bürgern, die nicht in der Partei waren, war nicht schlecht.

Toni: Die Grundgedanken waren genau richtig, aber die wurden von den Leuten niedergemacht. Die sollten auch mal aufhören damit, der war ein Spitzel, der war ein Spitzel. Nehmen wir an, es wäre umgekehrt gekommen, die BRD wäre auseinandergefallen, hätten sie dann auch den Staatsschutz auseinandergenommen? Es reicht. Weshalb nun die Grenzschützer angeklagt werden, verstehe ich nicht. Die Befehle kamen von ganz oben, und es waren klare Richtlinien gesetzt, was durchzuführen ist. Die sollten jetzt nicht die kleinen Leute hochnehmen, die nur das gemacht haben, was ihnen befohlen wurde.

Ronni: Die DDR war nicht schlecht. Wer nicht aus dem Konzept gefallen ist, das gemacht hatte, was vorgeschrieben war, dem ging es gut, genauso wie im Dritten Reich. Wer damals aus dem Konzept gefallen ist, Kommunist war, der wurde deportiert. Im Osten kamen eben die, die eine andere Meinung hatten, nach Bautzen. Interview: Eberhard Seidel-Pielen