Goldene Plätze zwischen Müll und Wüste

In Afrika bilden sich seit den achtziger Jahren Umweltgruppen und grüne Parteien. Geld aus den Ländern des Nordens wäre dringend nötig, um ihre Ziele umzusetzen. Doch die grüne Nord-Süd-Solidarität läßt auf sich warten  ■ Von Thomas Mösch

„Am Anfang haben die Europäer mehr darauf geachtet, was für Europa wichtig ist. Man hat Afrikaner eingeladen, damit sie hier aus ihrem Blickwinkel die Position der europäischen Gruppen unterstützen.“ Bert van Pinxteren, Geschäftsführer des internationalen Netzwerks Friends of the Earth (FOE) in Amsterdam, glaubt, daß diese Art des Umgangs mit afrikanischen Umweltschützern Vergangenheit ist: „Wir haben gelernt, daß es eine eigenständige Bewegung in Afrika gibt.“ Die Umweltbewegung in den Ländern des Nordens sei darauf angewiesen, daß es auch in Afrika, Asien oder Lateinamerika Gruppen gibt, die ihre Regierungen unter Druck setzen.

Europäische Umweltschützer suchen deshalb verstärkt den Kontakt mit Partnerorganisationen im Süden, so auch in Afrika. Allein Friends of the Earth, deren deutsche Sektion der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ist, hat mittlerweile Gruppen in sieben afrikanischen Staaten: Ghana, Benin, Togo, Sierra Leone, Kenia, Nigeria und Tunesien.

Seit Ende der achtziger Jahre sprießen überall in Afrika Umweltschutzgruppen hervor. Davor kannte man außerhalb des Kontinents eigentlich nur die Kenianerin Wangari Maathai. Sie hatte sich mit erfolgreichen Aufforstungsprogrammen internationale Achtung bei Umweltschutzorganisationen und ökologisch ausgerichteten Parteien erworben.

Nach Ostafrika scheint heute Westafrika die lebendigste Ökokologie-Szene zu haben. Seitdem immer mehr Länder Afrikas Mehrparteiensysteme zulassen, gehören sogar ökologisch orientierte Parteien zum politischen Alltag Westafrikas.

Insbesondere in den französischsprachigen Ländern konnten die ökologisch ausgerichteten Parteien Fuß fassen. Seit 1994 haben die grünen Parteien Westafrikas eine Koordinationsstelle in Niamey, der Hauptstadt der Republik Niger, eingerichtet. Dort sind inzwischen elf Parteien registriert, von Senegal im Westen bis Kamerun im Osten.

Bei einem Treffen im vergangenen Herbst in Ouagadougou in Burkina Faso waren über 30 Gruppen und Parteien vertreten. Afrikas Umweltschützer haben einen ganzen Katalog von Plänen zur Verbesserung der Umwelt in ihren Ländern: Sie wollen verstärkt gegen die immer schneller voranschreitende Wüstenbildung und Entwaldung kämpfen, die Städte vom Schmutz befreien und für eine nachhaltige Wirtschaft streiten. Neben Umweltthemen wenden sie sich aber auch sozialen Problemen zu. So wollen sie Frauen und deren Projekte fördern, die Jugendarbeitslosigkeit verringern und Bildung und Erziehung verbessern.

Dabei sind sie auf die Zusammenarbeit mit ihren FreundInnen in Europa angewiesen. Wie überhaupt in der grünen Bewegung spielen die deutschen Umweltorganisationen und Gruppen eine besondere Rolle. Sie gelten als die politisch einflußreichsten und haben Zugang zu nach wie vor sprudelnden Geldquellen. So ist die Heinrich-Böll-Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen bereits in mehreren Ländern Afrikas aktiv, wie zum Beispiel im Sahelstaat Burkina Faso. Dort arbeitet die Heinrich-Böll-Stiftung mit der Ökologischen Vereinigung für soziale Entwicklung (AEDS) zusammen. Der 46jährige Verleger und Kulturmanager Ram Ouédraogo hatte AEDS gegründet und ist heute Ehrenvorsitzender der Organisation. In Burkina Faso ist er bekannt wie ein bunter Hund. In Sachen Umweltschutz gilt Ouédraogo als der direkte Gegenspieler von Präsident Blaise Compaoré.

Ram Ouédraogo hält nichts davon, auf ausländische Geldgeber zu warten. Stolz präsentiert er den Espace d'Or, den goldenen Platz von Ouagadougou. Gegenüber der Universität haben die AEDS-Aktivisten in Eigeninitiative eine wilde Müllkippe in eine grüne Oase verwandelt. Zwischen Bäumchen, Büschen und zahllosen Blumen lädt ein Gartencafé zum Verweilen ein. In einer Ecke stehen Setzlinge, denn die Umweltschützer ziehen hier auch Bäume für die Wiederaufforstung auf und züchten Pflanzen für den Verkauf an Privatleute.

Die Burkinabé legen sehr viel Wert auf grüne und blühende Gärten. Der Espace d'Or dient außerdem als botanischer Garten für Schüler und Studenten, die so die Bedeutung der Pflanzen für die Ökologie lernen. „Mit dem Café und dem Verkauf der Pflanzen finanzieren wir unsere Arbeit“, sagt Ram Ouédraogo. Mit dieser Vorleistung sei es viel einfacher, zusätzlich Geld und Unterstützung von außen zu mobilisieren. Mit Hilfe der Heinrich-Böll-Stiftung hat die AEDS Wiederaufforstungsprogramme durchgeführt.

Die Parteien haben es dagegen sehr viel schwerer, an Hilfe von außen zu kommen, als regierungsunabhängige Organisation wie AEDS. So dürfen weder die Heinrich-Böll-Stiftung noch der Internationale Solidaritätsfonds von Bündnis90/Die Grünen politische Parteien unterstützen. Anträge an den Bundesvorstand der Partei werden regelmäßig mit Verweis auf dessen dünne finanzielle Ausstattung abgewiesen. Zudem hat sich die Partei in der Vergangenheit eher mit den Ländern Lateinamerikas oder zum Beispiel dem Kurdenkonflikt in der Türkei beschäftigt. Glücklich können sich da diejenigen AfrikanerInnen schätzen, die über – meist zufällige – persönliche Kontakte zu Kreis- oder Landesverbänden verfügen, in denen Nord-Süd-Solidarität noch als wichtiges Thema gilt.

Boubacar Djalo aus Guinea- Bissau gehört nicht dazu. Seine Guineische Liga für Umweltschutz (LIPE) hat als erste afrikanische Umweltpartei zwei Abgeordnete ins nationale Parlament gebracht. Bald stehen Kommunalwahlen an. „Für den Wahlkampf kriegen wir von der Regierung kein Geld“, klagt der pensionierte Techniker. „Nach dem Gesetz dürfen uns aus dem Ausland nur andere Umweltparteien unterstützen.“ Die Wahlkämpfer brauchten nicht nur Material, Telefon und Fax, sondern auch ein Auto, um in die oft schwer zugänglichen Dörfer zu kommen. Europas Grüne sollten ihre armen Schwesterparteien im Süden nicht vergessen, appelliert Djalo.

Ein Problem ist immer noch, wie man bei den vielen Neugründungen die Spreu vom Weizen trennt. Schließlich werden immer wieder Gruppen ausgemacht, die auf den grünen Zug aufspringen, um an Finanzquellen zu kommen. „Wir haben für unsere Mitglieder ganz klare Kriterien“, erklärt FOE-Sekretär Bert van Pinxteren. „Sie müssen demokratisch organisiert sein, die wichtigsten Umweltthemen in ihrem Land bearbeiten, Umweltschutz und soziale Themen miteinander verbinden sowie Interesse an internationaler Zusammenarbeit haben.“

Früher konnte fast jeder das FOE-Siegel bekommen. „Jetzt sind wir formeller geworden“, sagt van Pinxteren. Die Anwärter müssen Abrechnungen und Satzungen schicken, Besuche sollen einen persönlichen Eindruck vermitteln. Persönliche Kontakte stehen auch bei den Parteien ganz hoch im Kurs. 1997 wollen sich europäische und afrikanische Grüne in Niamey zu einer großen Konferenz treffen.