Fundstücke, Schätze und Schätzchen

Ist es ein Schamdreieck oder das magische Auge Gottes? Mit der Ausstellung „Ruhm“ wollte das Bonner Frauenmuseum die Ankaufspolitik in Nordrhein-Westfalen dokumentieren – wie viele Künstlerinnen kommen ins Museum?  ■ Von Elke Buhr

Eine „Nana“ von Niki de Saint- Phalle probt den Kopfstand und streckt ihre unförmigen Polyesterbeine in die Luft. Fröhlich, feministisch, erfolgreich – klar, daß das Frauenmuseum Bonn die bunte Figur stolz im Eingang präsentiert. Die „Nana“-Skulptur repräsentiert eine Kunst, die sich auf offensive Art als weiblich versteht. Niki de Saint-Phalle jedenfalls brachten ihre runden Formen ins Museum.

Groß wird der künstlerische Ruhm erst mit der Institutionalisierung, so die These von Marianne Pitzen, die das Frauenmuseum leitet. Deshalb soll die Ausstellung „Ruhm“ einen Überblick darüber geben, welche Werke von Künstlerinnen in den letzten 50 Jahren von NRW-Museen angekauft wurden. Das Land Nordrhein-Westfalen, das seit geraumer Zeit sein 50jähriges Bestehen feiert, hat die Ausstellung finanziert. Für das Frauenmuseum Bonn, das vor 15 Jahren aus einer Hausbesetzung entstand und mit dem bei weitem niedrigsten Etat aller nordrhein-westfälischen Museen ausgestattet ist, eine einmalige Gelegenheit: Erstmals bekam es nicht nur eine nennenswerte Summe zur Verfügung gestellt, sondern auch Leihgaben aus den etablierten Häusern des Landes.

Begleitend zur Ausstellung erstellte das Frauenmuseum eine Studie, die Aufschluß über die Bestände, die Ankaufspolitik der Museen und die Ausstellungspraxis geben soll. Das Ergebnis: Ein Zehntel der Werke in den Depots stammt von Künstlerinnen. Und: Je renommierter ein Haus, ein Ausstellungsprojekt, eine Sammlung, desto weniger Frauen sind dabei. Das Starhaus des Landes Nordrhein-Westfalen, die Kunstsammlung Düsseldorf, kaufte in den letzten 50 Jahren genau vier Werke von Frauen. Bekannte Künstlerinnen wie Cindy Sherman, Marie-Jo Lafontaine, Valie Export oder Katharina Fritsch sind gar nicht vertreten. Sie sind ohne Zweifel berühmt, werden aber nicht gekauft – da investieren die NRW-Museen lieber in einen Lüpertz oder einen Polke.

Doch allein aus einem schlechten Zeugnis für die Museumsleute in NRW läßt sich natürlich keine Ausstellung machen, und so präsentiert das Frauenmuseum statt dessen – liebevoll und mit berechtigtem Stolz –, was in den Depots zu finden war: eine Sammlung von Fundstücken, Schätzen und Schätzchen.

Es beginnt im Erdgeschoß mit der Bronze „Die Gottesanbeterin“ der Französin Germaine Richter aus dem Jahre 1946, die, halb Mensch, halb Tier, das Grauen des Krieges verkörpert. Und es endet im zweiten Obergeschoß mit der Rauminstallation „Das Fragment ist ein kleines Ganzes“ von Sigrid Sigurdsson, die wieder den Krieg und die Nazi-Herrschaft zum Thema hat: Unzählige Fotos, Zeitungsausschnitte und Objekte bilden ein „Kunst-Archiv gegen das Vergessen“. Dazwischen liegen 50 Jahre Vielfalt der Stile, abstrakt verflochtene Linien Marie-Louise von Rogisters, hintersinnige Collagen von Meret Oppenheim, verfremdete Fotos Katharina Sieverdings; Fluxusobjekte aus den 70ern, Installationen aus den 80ern...

Einzige Gemeinsamkeit ist zunächst nur das Geschlecht der Urheberinnen. Und das Geschlecht allein, das macht die Ausstellung einmal mehr deutlich, begründet keine gemeinsame Ästhetik. Den gemeinsamen Nenner gibt es nicht. Die „Nana“ von Niki de Saint- Phalle steht nur für eine mögliche Strategie, Kunst so zu machen und zu verkaufen, daß sie zu einer Ikone von Weiblichkeit werden konnte; für weibliche Kunst als solche steht sie nicht. Die einzelnen Werke repräsentieren vor allem sich selbst.

Die Ausstellungsmacherinnen haben sich trotzdem – erfolgreich – bemüht, Beziehungen herzustellen, und zwar inhaltlicher Art. Eine ist sicherlich das Thema des weiblichen Körpers, des weiblichen Akts, und damit der Versuch, einen differenzierten Blick auf den eigenen Körper zu bekommen, der nichts mit der männlichen Tradition gemein hat.

Pendant zu Niki de Saint- Phalles offensiv-fülliger „Nana“ ist da ein wunderbarer Torso von Marg Moll von 1956: Der stilisierte Körper ist so fein geschwungen, daß man am liebsten seine Hand über das Ahornholz gleiten lassen möchte. Bei Gerlinde Becks Skulptur von 1958 dagegen besteht die liegende Figur aus Stahlkegeln und Halbkugeln, gespickt mit Stacheln. Ihr gegenüber „Kreißsaal“ von Maina Miriam Munsky. Monströs wölbt sich der Bauch der Schwangeren in der Mitte des Bildes, Arzt und Schwester rechts und links wie Folterknechte: feministischer Realismus von 1972. Ein anderer nackter Frauenkörper verweigert sich einem möglichen Voyeurismus auf sehr viel amüsantere Art. Renate Goebel hat eine lebensgroße, extrem klobige Pappmachéfigur auf eine Luftmatratze gelegt, die perfekte Parodie hingebungsvoller Weiblichkeit: „Freundin Inge am Wannsee“ von 1968.

Hier zeigt sich ein zweiter Zug, den die Ausstellungsmacherinnen an den ausgewählten Werken schätzen: der Sinn für Humor, der ironische Umgang mit den Attributen der Weiblichkeit, wie er etwa bei den Fluxuskünstlerinnen vorgeführt wird. Mit Objekten und Zeitungsschnipseln hat Takako Saito ein Nähkästchen gefüllt und als Brief verschickt: „A letter to Wolfgang“. Auch Mónika Girón bedient sich in ihrer „Mitgift für einen Konquistador“ von 1993 typisch weiblichen Handwerkszeugs: Sie strickt Socken für Vogelkrallen, Jacken für Pinguine, die die Flügel hängen lassen, Hüllen für Gänse mit langgezogenen Hälsen – und nagelt sie brutal an die Wand. Rosemarie Trockel schließlich fertigt überdimensionierte Kleiderbürsten an, die als borstiges Dreieck wie ein umgedrehtes Auge Gottes an der Wand hängen, direkt neben dem Rettungsring aus Schaumstoff und Wolle.

Als kunsthistorischer Gang durch die Avantgarde der letzten 50 Jahre wurde die Ausstellung „Ruhm“ angekündigt. Das ist sie offensichtlich nicht geworden. Statt einer Spiegelung des üblichen Kanons, einer Art weiblicher Fußnote zur offiziellen Kunstgeschichte, gibt es eine eigenwillige Versammlung von Charakteren und Einzelwerken. Der Ruhm und die Segnungen der Musealisierung sind den Künstlerinnen der Nachkriegszeit in Nordrhein-Westfalen eben nur vereinzelt zuteil geworden. Manche Werke blieben auch gleich im Depot: So mußte die „Ruhm“-Ausstellung auf Rebecca Horns „Paradieswitwe“ verzichten, nachdem das Bonner Kunstmuseum konservatorische Bedenken angemeldet hatte. Zur großen Retrospektive von Rebecca Horn 1993/94 war die Arbeit noch relativ problemlos nach New York, Berlin und Wien gereist.

Bis 16.2. im Frauenmuseum Bonn