■ Mit Grundig auf du und du
: Die reiche Witwe

Berlin (taz) – Expostminister Christian Schwarz-Schilling gibt sich verantwortungsvoll: „Wenn Brandgeruch herrscht, darf man nicht weglaufen.“ Der Aufsichtsratschef bei Grundig hat sich über Nacht um 180 Grad gedreht. Noch Anfang der Woche hatte er sein Schicksal an den Verbleib von Pieter van der Wal in der Geschäftsführung gekoppelt. Doch vorgestern setzte der Grundig-Aufsichtsrat van der Wal einstimmig vor die Tür – und Schwarz- Schilling blieb.

Van der Wal war vor gut einem Jahr von Philips als Grundig-Chef eingesetzt worden. Der holländische Konzern hält 31,6 Prozent der Aktien und führte seit 1984 die Geschäfte bei dem Fürther Fernsehhersteller. Doch in den letzten Jahren fuhr Grundig insgesamt 1,5 Milliarden Mark Miese ein, und Anfang dieses Jahres zog sich Philips aus der Verantwortung zurück. Zugleich nahm das Unternehmen 250 Millionen Mark Genußscheinkapital mit, was die Eigenkapitalbasis von Grundig empfindlich annagt.

Die Grundig-Belegschaft ist überzeugt davon, daß Philips ihr Werk mit Absicht vor die Wand gefahren hat, um den schrumpfenden Markt für die holländischen Produkte zu sichern. So verlangte Philips im vergangenen Herbst, Grundig solle sich auf den deutschen Markt beschränken. Außerdem wollte Philips das Geschäft mit hochwertigen Hi-Fi-Geräten am liebsten alleine betreiben.

Der Grundig-Aufsichtsrat will jetzt nicht nur prüfen lassen, ob der Abzug der 250 Millionen Mark vor drei Wochen rechtmäßig war. Auch sämtliche Unternehmensentscheidungen der letzten Monate werden neu bewertet. Der Umzug von Betriebsteilen nach Ungarn und Österreich wurde gestoppt.

Die Grundig-Witwe Chantal aber hat gut lachen. Rund 50 Millionen Mark kassiert die Exgattin von Firmengründer Max Grundig jedes Jahr. So wurde es in einem Vertrag zwischen dem holländischen Konzern Philips und dem Firmengründer 1984 vereinbart. Denn Philips hat sich seinerzeit verpflichtet, die Erbin zwanzig Jahre lang zu alimentieren. Danach, so ist vereinbart, kann sich die Grundig- Familie ganz aus dem Geschäft zurückziehen und bekommt dafür noch einmal 540 Millionen Mark. Jetzt will Philips die Vereinbarung kündigen – doch das wird teuer. aje