Vorerst schlappe Bilanz bei Herointests in Bremen

■ Nach vier Todesfällen: Angebot zur Stoffüberprüfung wird kaum angenommen

Bremen (taz) – Das Telefon klingelt. „Nein, bisher ist kein einziger Junkie gekommen“, sagt Uwe in den Hörer. Er sitzt im leeren Empfangsraum im zweiten Stock der Bremer Drogenberatungstelle am Hauptbahnhof. „Angst vor Hochprozentigem? Jetzt könnt Ihr Proben abgeben“ steht auf einem Schild an der Tür – der Hinweis für eine Notaktion, die Bremens Gesundheitssenatorin Tine Wischer (SPD) wegen der Herointoten vom Wochenende aus der Taufe hob.

Doch im „drobs“ sind die Gänge wie leergefegt. Gegen 12 Uhr legt ein blonder Mann ganz unauffällig ein zugeschweißtes Päckchen auf den Tisch – die einzige Heroinprobe, die an diesem Dienstag ins Labor geht. Fast 150 Junkies liefen gestern noch aufgeregt über die Flure der zentralen Bremer Drogenberatungsstelle. Wut, Angst und Ärger machten sich in dem hochstöckigen, grauen Tivoli-Haus im Bahnhofsviertel breit. Hochreines 60prozentige Heroin war am Wochenende plötzlich in der Szene aufgetaucht, vier Männer gestorben und noch kein Dealer festgenommen. Gefahr im Verzug, befand die Gesundheitssenatorin und rief für zehn Tage zu kostenlosen Heroinuntersuchungen auf – ein bislang einzigartiges Projekt in der Republik.

In der Gesundheitsbehörde gibt man sich gelassen: „Das ist ja erst angelaufen, wir warten erst mal ab“, sagt Sprecher Holger Bruns- Kösters. „Zwei Stunden dauert es, und dann ist das Ergebnis der Probe da“, verspricht er. Doch Uwe im „drobs“ schüttelt nur mit dem Kopf: „Ruf doch morgen mal an, ob schon Ergebnisse da sind“, sagt er zu dem 24jährigen Heroinbringer und drückt ihm einen Zettel mit Telefonnummern in die Hand. „Alles klar, ich hab' Zeit“, sagt er. Zeit, weil er nicht sofort den nächsten Kick braucht. „Ich drück' ja nicht, ich mach nur auf Nase – seit sieben Jahren“, sagt er – „ich wollt's nur mal prüfen lassen und wissen, was das für Zeug ist.“ Zeug, das er nicht zurückbekommen wird – ein Deal mit der Bremer Staatsanwaltschaft. Sie hätte das Probeverfahren sonst wegen „strafrechtlichen Bedenken“ abgelehnt, so die Bremer Staatsanwältin de Boer – wegen illegalem Handel mit Drogen. Uwe interessiert das wenig. Der 24jährige will jetzt erst mal zur Arbeit gehen. Schnell greift er zum Zettel mit der Telefonnummer und geht zur Tür – es ist kurz vor ein Uhr mittags und die meisten Deals im Steintorviertel, wo sich die Bremer Drogenszene konzentriert, sind längst gelaufen.

Schwankend steht eine Frau auf der Straße und kramt in einer Plastiktüte. Neben ihr sind Freunde noch auf der Suche nach einem neuen Kick. „Heroinproben machen? Keine Ahnung“, sagt sie und geht leicht in die Knie, ihre Nase läuft. „Gib mir 100 Mark und ich mach' so einen Test“, sagt eine Frau mit kahlgeschorenen Haaren. „Ich hab' gar nicht genug Geld, das Zeug dazulassen.“ Auch auf „Bullen vor der Tür“ stehe sie nicht. Daß die Staatsanwaltschaft durch die Probeaktion mutmaßliche Dealer finden will, bestätigt dort offiziell natürlich niemand. Da hilft sich die Szene lieber selber: „Wer jetzt Angst vor hochprozentigem Zeug hat, der dosiert halt vorsichtiger“, sagt der kokainabhängige Thomas. Ein paar Straßen weiter im Kontaktladen in der Weberstraße sitzen vier junge Leute an einem Tisch, die längst im Methadonprogramm sind. Dort sind Gespräche über neue Mietverträge wichtiger als die Todesfälle. Frank Willmann arbeitet seit drei Jahren im Kontaktladen und weiß: „Die Junkies warten einfach nicht so lange auf ein Laborergebnis. Die wollen schnell einen Kick haben.“ Sinnig sei die ganze Aktion schon, „aber eigentlich brauchen wir ganz andere und viel differenziertere Angebote für Drogenabhängige – zum Beispiel Drückräume.“ Frank kann nur darüber lachen, daß die Gesundheitsbehörde jetzt zum vorsichtigen Spritzen auffordert: „Wer illegal im Park spritzt, wartet nicht auf die Bullen.“ Die Probeaktion kommt eigentlich zu spät, findet Frank – denn die vier Männer „sind tot“. Katja Ubben