Den Teufelskreis durchbrechen

■ Deutsch-tschechische Versöhnungserklärung in Prag unterzeichnet. Rechte Demo gegen Kohl

Berlin (taz) – „Am Grunde der Moldau rollen die Steine“ – sie rollten immer noch, aber das Große war groß geblieben und das Kleine klein im Verhältnis Tschechiens zu Deutschland, als Bundeskanzler Helmut Kohl mit Tschechiens Premier Václav Klaus gestern nachmittag im Prager Palais Liechtenstein die deutsch-tschechische Versöhnungserklärung unterzeichnete. Zwei Häuflein Demonstranten, Anhänger der nationalistischen „Republikaner“ und der Kommunisten, hatten sich vor dem Palais aufgebaut, um Kohl mitzuteilen: „Helmut, wir lassen uns von der D-Mark nicht kaufen!“ Von einem quergestellten Omnibus als Sichtblende geschützt, gelangte Kohl sicher in den Festsaal. Seine Botschaft: „Wir dürfen nicht Gefangene der Vergangenheit bleiben, sonst hätte die Vergangenheit letztlich gesiegt. Dabei respektieren wir, daß es nicht wenigen, die selbst gelitten hatten, auch heute noch schwerfällt, das Leid des anderen nachzuempfinden.“ Die Erklärung solle helfen, den Teufelskreis gegenseitiger Aufrechnung zu durchbrechen. Klaus nannte die Erklärung eine „kühne Resolution“. Sie sei ausgewogen zwischen den Interessen beider Seiten. Gewarnt werden müsse davor, das Dokument durch neue Verhandlungen zu entwerten.

Der Historiker Kohl ließ es sich nicht nehmen, positive wie schreckliche Episoden aus der Geschichte des fast 1.000jährigen Mit- und Gegeneinanders der Tschechen und Deutschen Revue passieren zu lassen. Er versicherte aber der tschechischen Seite, „daß die große Mehrheit der Sudetendeutschen bereit ist, tatkräftig und konkret am Ausbau unserer Beziehungen mitzuarbeiten“. Diese Versicherung kontrastierte schrill mit den gestrigen Äußerungen des Vorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Franz Neubauer, zur gemeinsamen Erklärung: „Ausnahmslos alle Streitfragen sind in dem Papier ungeklärt.“ C.S.

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