Totes Gemüse mit Zwangsbeitrag

■ Das Bremer Mensaessen: schlecht aber dafür teuer / kulinarisches Mekka Oldenburg

ie Bremer Uni-Mensa zur Mittagszeit: Eine lange Schlange bildet sich vor dem Ausgabeschalter des Auswahlessens. Fischschnitte „Florentiner Art“ oder Hähnchenbrust in Jus gibt es heute. Dazu Gemüse oder Salat, Kartoffeln oder Curryreis. „Der Fisch ist gut, den nehme ich immer“, meint Hans-Joachim Breunig, Chemie-Hochschullehrer. Eine eher seltene Aussage. „Oft ist wirklich bei keinem der drei, vier Essen etwas Ordentliches dabei“, ärgert sich Saleh, Elektrotechnik-Student. „Dann nehme ich nur Gemüse.“ Und die Jurastudentin Isabelle kommentiert: „Wenn in dem Gemüse noch irgendein Vitamin ist, heiße ich Otto!“ So reden alle. Im Juni 1995 hatte der Bremer Asta eine Umfrage durchgeführt mit niederschmetterndem Ergebnis. Besser als mit der Note drei bis vier kamdie Bremer Mensa nicht weg. Im bundesweiten Vergleich gilt die Bremer Mensa sogar als eine der schlechtesten. „Und für diesen Fraß zahle ich im Grunde zweimal: einmal mit dem Zwangsbeitrag an das Studiwerk und dann noch einmal an der Kasse!“, schimpft die Politik-Studentin Elisabeth. Und die kulinarische Wende zum Besseren ist längst nicht in Sicht.

Die Verantwortlichen sind schnell gefunden. „Der Koch“, sind sich viele StudentInnen einig. Die Finanzen, meint das Bremer Studentenwerk, Betreiber der Mensa. Und die werden in Zukunft noch knapper, was wüsteste Phantasien für die Nahrungsaufnahme aufkommen läßt. Um die Kürzung der Landeszuschüsse aufzufangen, wurde ab dem Wintersemester 1997/98 der studentische Betrag für das Studentenwerk von 48 auf 60 Mark pro Semester erhöht. Dafür sollen wenigstens die Mensa-Preise stabil bleiben, hofft Christian Rohlfing, Geschäftsführer des Studentenwerks. „Mit dem Essenspreis hängt ja auch die Attraktivität des Studienortes zusammen.“

Daß die Kosten allerdings nur ein Aspekt der Qualität des Mensaessens sind, zeigen die Mensen in Oldenburg, die von Bremer StudentInnen oft als leuchtendes Beispiel angeführt werden. Dort kommen seit 1983 etwa 30 Prozent aller Nahrungsmittel aus kontrolliert-biologischem Anbau und artgerechter Haltung. Und siehe da: erstens schmeckt's und zweitens ist das Essen auch nicht teurer.

„Natürlich verursachen Öko-Produkte Mehrkosten, das läßt sich nicht wegdiskutieren,“, räumt Doris Senf, Einkaufsleiterin des Studierendenwerks Oldenburg, ein. „Aber durch Mischkalkulation fangen wir das auf.“ Ökologische Lebensmittel finden sich in allen fünf Gerichten, die die Hauptmensa täglich anbietet, dadurch bleiben die einzelnen Essen erschwinglich: 2,70 Mark für das Menü, 3,40 Mark für das Alternativessen, das immer fleischlos ist, bis zu 5,50 Mark für Extras wie Wildgerichte.

Der Essensplan der Oldenburger Mensa wurde einst von einer Ernährungswissenschaftlerin zusammengestellt. „Hier ist es sogar eher schwierig, sich nicht gesund zu ernähren“, meint Margarete Blümel vom Ökologie-Referat des Oldenburger Asta. Und die KöchInnen engagieren sich: Einmal im Jahr findet in Oldenburg eine kulinarische Themenwoche statt. Mal wird italienisch gekocht, mal französisch. Zur Zeit findet ein Rezeptwettbewerb statt, und am Ausgang der Mensa gibt es eine Meckerwand für Lob und Tadel.

Preisfrage: Warum gibt es all das nicht auch in Bremen? Christian Rohlfing vertröstet auf später: „Im Moment steht eine große Sanierung der Mensa bevor. Für fünf Millionen Mark wird noch in diesem Jahr der Ausgabenbereich neu gestaltet, die Küche modernisiert und die Spülküche erweitert.“ Dann soll es auch vermehrt vollwertige vegetarische Kost geben. Denn noch müssen VegetarierInnen oft auf Germknödel und Pfannkucken ausweichen, weil die Töpfe und Öfen für die Fleischgerichte benötigt werden.

Doch die Forderung nach „Vollwerternährung“ ist damit noch längst nicht erfüllt. „Es ist einfach zu teuer“, stöhnt Rohlfing. Auch da könnte ein Blick nach Oldenburg nicht schaden. „Das Oldenburger Studierendenwerk kriegt genauso Zuschüsse und Rabatte wie andere Mensen“, erzählt die Oldenburger Asta-Referentin Margarete Blümel. „Unser Einkauf kann scheinbar einfach besser verhandeln.“ Oder in Bremen fehlt schlicht der Druck des Marktes. Die ständig steigende Essensnachfrage (plus 2,4 Prozent 1995 im Vergleich zum Vorjahr auf 1.105.657 Portionen) bei gleichzeitig stagnierenden StudentInnenzahlen scheint für die Mensa zu sprechen. Doch hinter den Zahlen steht die schiere Not. Ein Student: „Ich hab kein Geld, und Mensaessen ist billig, also esse ich es, egal wie schlecht es ist!“

Birgit Köhler