Der Tanz ist seine Kür

■ Der kanadische Choreograph José Navas begeisterte am Dienstag im Concordia

Karrieren in der Kunst und genauer im Tanztheater laufen manchmal gegen den Strich. Da kneten sich die fünfjährigen Töchter und gelegentlich auch Söhne aus gutem Hause am Ballettholm den Rücken und Zehen gerade, und was kommt meistens dabei raus? Kein einziger Bühnenauftritt, sondern bloß ein Fernsehabend mit verheulten Augen vor der „Flashdance“-Wiederholung. Gemein, wenn dann noch einer kommt und es ihnen zeigt. Einer wie José Navas zum Beispiel, der seinen Auftritt in der Hamburger Kampnagel-Fabrik Anfang der Woche für einen Abstecher zu den „input“-Theatertagen im Bremer Concordia nutzte.

Der gebürtige Venezolaner und heute in Montreal lebende Tänzer und Choreograph begann ausweislich der Biographie erst im „hohen“ Alter von 18 Jahren mit dem Studium seines künstlerischen Handwerks. Inzwischen 33jährig erarbeitete er sich seit Beginn der 90er unter eigener und fremder Regie mehr als ein halbes Dutzend Choreographien und erwarb sich in der Szene bald den Ruf eines „Shooting Stars“. In vier dieser Solos konnten sich die ZuschauerInnen im gut besuchten Concordia ein Bild von der Wirklichkeit hinter den Gerüchten machen und entdecken, daß der gute Ruf berechtigt ist.

Verlangsamte Bewegungen, dann schnelle Pirouetten und plötzlich wieder ein Innehalten: Atemraubend bis virtuos beherrscht José Navas die Wechsel der Tempi und Unterscheidungen von fließenden zu spannend-rastenden Figuren und zurück. Und nur in Winzigkeiten ist dem Tänzer anzusehen, daß er mit dem Training für sein so athletisches wie körperbewußtes Theater nicht schon im Kindesalter begonnen hat.

Seine vier für Bremen ausgewählten Choreographien unterscheiden sich in Struktur und dramaturgischem Aufbau so grundlegend voneinander, daß man staunt, daß nur eine – das Solo „While Waiting“ – nicht von ihm selbst inszeniert wurde. Durchgehend allein die Sorgfalt der Lichtregie und der Schwebezustand, in dem er Aussage und Inhalt läßt. Zum Richard-Strauss-Kunstlied etwa tanzt er die „Celestiales“, kreiselt dabei schnell den Kopf, rudert langsam mit den Armen dazu und streicht so auf einem Spannungsbogen, der an Parkinson'sche Symptome erinnert und zugleich ironisiert bis lächerlich als Ballerinen-Parodie erscheint. Ein Staunen und dann begeisterter Beifall.

Christoph Köster