„Zwischen Pest und Cholera“

■ LehrerInnen demonstrierten gegen neue Bildungspolitik

Die Bildungspolitik der großen Koalition bringt Bremens LehrerInnen auf die Barrikaden. Gestern versammelten sich rund 100 PädagogInnen vor der Bürgerschaft, um den ParlamentarierInnen „ihre Wut und ihren Frust entgegenzuschleudern“. Der Grund für die Aufregung ist ein Antrag der großen Koalition, zwei Modellversuche an Schulen zu testen, um Unterrichtskapazitäten zu sichern. Die LehrerInnen und die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) sehen darin aber nur den Versuch, auf ihre Kosten die Arbeitszeit um zwei Stunden pro Monat zu verlängern.

Laut Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) sieht das eine Modell die einfache Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung vor. Modell zwei geht von einer 38,5-Stunden-Woche aus. „Da ein Gymnasiallehrer 18 Stunden zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts zu Hause benötigt, können etwa zwei Stunden mehr als bisher für Unterricht angesetzt werden“, sagt Kahrs. Sie favorisiert Modell Nummer zwei. So auch die gesamte SPD-Fraktion.

Der CDU-Abgeordnete Klaus Bürger forderte eine Anhebung um zwei Stunden: „Das spart 200 Stellen. Wir können die schwierige finanzielle Lage nicht vernachlässigen.“ Die Grünen brachten einen eigenen Antrag in die Bürgerschaft ein. Sie forderten Neueinstellungen statt Erhöhung der Arbeitszeit. Helmut Zachau stellte fest: „In den kommenden Jahren werden 500 Lehrer pensioniert. Wie soll das abgefangen werden, ohne den Unterricht zu gefährden?“

Dem schlossen sich auch die auf dem Marktplatz versammelten LehrerInnen an: „Das Ganze ist ein Verbrechen an den Kindern. Es wird keine Neueinstellungen geben. Die Lehreranzahl nimmt stetig ab, sodaß die Kinder nicht mehr vernünftig unterrichtet werden“, beschwerte sich Grundschullererin Ingrid Richter. Kollegin Katrin Kuhfuß gab ihr Recht: „Wir sollen nicht zum Wohl der Kinder länger unterrichten, wie Frau Kahrs glauben machen will, sondern mit der längeren Arbeitszeit die pensionierten Kollegen abfangen.“ „Stattdessen könnten fast 300 neue Lehrer eingestellt werden“, beschwerte sich Gymnasiallehrer Volker Arnold. „Das hat mit dem ausgehandelten Solidarpakt im öffentlichen Dienst nichts mehr zu tun.“

Dieser sah vor, 90 neue Stellen zu schaffen bei gleichzeitigem Verzicht auf Einkommenserhöhung. Das ist aber offenbar vom Tisch. Der gestern beschlossene Antrag der großen Koalition sieht vor, an Bremer Schulen möglichst schnell die Modelle zu testen und eins dann umzusetzen. Dazu sagte gestern der GEW-Landessprecher Heiko Gosch: „Damit bleibt den Beschäftigten an den Schulen nur die Wahl zwischen Pest und Cholera.“ jeti