Alles Bio? Alles Bio!

■ Vor der Grünen Woche haben Studenten der Technischen Universität Berlins Naturkostläden getestet. Ihr überraschendes Ergebnis: Alles ist in Butter

Wie steht's mit der Naturkost in Berlin? „Überraschend gut“, sagt Ökotrophologin Gabriele Schaepers-Feese. Eine von ihr geleitete und von Studenten der Technischen Universität durchgeführte Untersuchung hat ergeben: Alle 66 in der Stadt getesteten Naturkostläden (insgesamt gibt es 103) sind hinsichtlich Service, Beratung und Angebot top. 84 Prozent erhielten das Prädikat „sehr gut“ beziehungsweise „gut“, 13 Prozent wurden mit „befriedigend“ und nur zwei Geschäfte mit „weniger befriedigend“ bewertet.

Als Bio und Öko wird heute alles bezeichnet. Doch nicht überall, wo Bio oder Öko draufsteht, ist auch Bio oder Öko drin. Für die Studenten des Studiengangs „Ernährung und Gesundhaltung“ Grund genug, der Sache nachzugehen. „Unsere Kriterien waren der äußere Eindruck des Ladens, der Service und die Beratung, das Warensortiment und die Verbrauchertransparenz, also die Frage, ob der Kunde nachvollziehen kann, wo die Ware herkommt“, sagt Schaepers-Feese. In fast allen Punkten hätten die Berliner Naturkostläden „überraschend“ gut abgeschnitten. Das Angebot sei vielfältig (im Durchschnitt 2.000 Produkte), lediglich Fleisch und Wurst seien in einigen Läden Mangelware. Auch die fachliche Kompetenz der Bioladen-Mitarbeiter sei „überraschend“ hoch gewesen. Die drei Testfragen: Wie wird grüner Tee zubereitet?, Wie geht man richtig mit Sprossen um?, Welches Backmittel nehme ich, um Roggen oder Weizen zu verarbeiten?, seien zu 85 Prozent sachlich richtig und nicht dogmatisch beantwortet worden. Nicht zu vergessen: Das Sortiment werde fast überall täglich frisch angeliefert. Als Orientierung für den Verbraucher haben die Bundesverbände Naturkost Naturwaren (BNN) im vergangenen Jahr ein eigenes Logo eingeführt, das Naturkostfachgeschäfte mit kontrolliertem Sortiment auch nach außen hin deutlich sichtbar machen soll. In Berlin werben inzwischen 17 Läden mit diesem Markenzeichen (großes N mit grünem Baum).

Kleines Manko: Noch kommen zu viele Öko-Produkte von zu weit her. „Das liegt daran, daß der ökologische Anbau im Land Brandenburg noch im Aufbau ist“, erklärt Meinrad Schmitt, Inhaber der Firma Terra Frischdienst, der Berliner Naturkostfachgeschäfte mit ökologischen Frischwaren versorgt. Waren es 1995 lediglich 120 landwirtschaftliche Betriebe in Brandenburg, die nach EU-Richtlinien ökologischen Anbau betrieben haben, schnellte allerdings die Anzahl 1996 auf 186 hoch. „Und der Trend ist steigend“, zeigt sich Schmitt optimistisch.

Aufschlußreich auch das Ergebnis einer Marktforschungsstudie zum Kundenprofil des Naturkostfachhandels: 44 Prozent der Käufer zählen zur gehobenen Mittelschicht und besitzen eine wissenschaftliche Ausbildung; 27 Prozent stammen aus dem alternativen und 4 Prozent aus dem lustbetonten Milieu. Die Konservativen machen 6 Prozent des Käufer-Potentials aus. Jens Rübsam