Faszination "Bilokation"

■ Heute soll über die Fusion von SWF und SDR entschieden werden

Die Fähigkeit, sich an mehreren Orten zugleich zu befinden, gehört eigentlich ins Reich der Phantasie. Trotzdem ist genau das das Ziel, wenn sich heute in Speyer die Intendanten des SDR und des SWF, Hermann Fünfgeld und Peter Voß, mit den Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, Kurt Beck (SPD) und Erwin Teufel (CDU), treffen, um einen neuen Sender zu bauen.

Der Südwestdeutsche Rundfunk (SWR), der nach dem Willen der vier noch in diesem Jahr entstehen soll, muß sich nämlich irgendwie an gleich drei Orten zur selben Zeit befinden, damit alle zustimmen: In Stuttgart (wo der SDR sitzt), in Baden-Baden (SWF) und in Mainz, der Residenz Kurt Becks. Der SDR-Rundfunkrat legte am vergangenen Freitag ein Papier vor, wie man das Problem der Bilokation ohne Zauberei lösen könnte. Danach würden die Verwaltungszentrale und die Politik/Kultur-Redaktionen in Stuttgart angesiedelt, die Hörfunk- und Fernsehdirektion sowie Unterhaltendes in Baden-Baden. Zentrale Programme kämen aus Baden-Baden, Landesprogramme aus den Landeshauptstädten. Eine Regelung, mit der sich der SWF, wie man hört, durchaus anfreunden kann.

Dem Pfälzer Regierungschef Kurt Beck jedoch kommt seine Hauptstadt da etwas zu kurz. Weswegen er das Treffen zunächst ganz absagen wollte, es dann aber bei einem geharnischten Brief an den SDR-Intendanten beließ. Darin gab er sich „besonders betroffen“ darüber, „wie mit rheinland-pfälzischen Interessen umgegangen wird“. Nicht einmal eine Autonomie des Mainzer Funkhauschefs sei vorgesehen, beschwerte sich Beck und drohte, die Fusion werde nicht zwischen den beiden Intendanten ausgemacht, sondern zwischen den Regierungschefs.

Doch auch die Politik ist fest entschlossen, diesmal die Fusion zu schaffen, un den kuriosen Zustand zweier Sender in einem Land zu beseitigen (der Halbländersender SDR für Schwaben und der badische SWF, der Rheinland Pfalz mit versorgt). Der Zwang zu einer Reform der ARD, in der der neue SWR zu den starken Sendern WDR, BR und MDR aufschließen könnte, hat die lang erwogene Fusion wieder aktuell gemacht, und schon liegen Ideen vor, wie Über- und Nebenredaktionen auf die Städte verteilt werden können. In einem taz-Interview hatte Kurt Beck im Herbst auch HR und SR ein „Andocken“ an den neuen Sender angeboten.

Doch nicht nur von wo, auch was gesendet wird, ist umstritten. Der SDR will nach der Fusion nicht weniger, sondern mehr Programme veranstalten: Das gemeinsame Südwestfernsehen soll in zwei Länderprogramme geteilt werden – was der SWF ablehnt. Der will dafür das gemeinsame Kulturradio S2 teilen und die Infowellen SWF/SDR1 vereinigen.

Streit hatte es auch um den Bestand des hochgelobten Musikradios SDR3 gegeben. Stuttgart will mit dem „Radio für den wilden Süden“ bald die ganze Region beglücken, Baden-Baden dagegen eine „Rock Unit“ bilden, die in der Kurstadt Baden-Baden statt SDR/ SWF3 zwei neue Musikradios produziert. Doch da fürchten die SDR3-Macher Zähmung durch das SWF3-Einheitsformat. Lutz Meier