Ameisen im Hirn

■ Peter Kogler tapezierte in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst

Hirnwindungen, Röhren, Ameisenstraßen laufen in endlosen, sich überlappenden Schlaufen aus computergenerierter Tapete über Wände, Säulen und Decke der ansonsten leeren Ausstellungsräume. So zeigt die „Gesellschaft für Aktuelle Kunst“ derzeit den österreichischen Documenta-Teilnehmer Peter Kogler. Ein irritierendes Environment, das wie eine Karikatur jenes architektonischen Bemühens wirkt, die Ver- und Entsorgungssysteme nicht mehr zu verstecken, sondern als offenen Bestandteil ästhetisch in die Gebäude zu integrieren, wofür etwa die Bremer Universität ein Beispiel liefert. Oder sollte man darin eher – wie Florian Illies in der FAZ – „Karikaturen des zeitgenössischen Vernetzungswahns“ erkennen? Vielleicht gar eine Metapher des „organlosen Körpers“ aus dem „Anti-Ödipus“, der laut Deleuze/Guattari von den Strömen der „Wunschmaschine“ durchzogen wird?

Wie auch immer: Die mit ornamentalen Bändern eingekleideten Räume erzeugen den Eindruck einer seltsam biomorphen, breiigen Lebendigkeit, unter der man sich wie in einem Spinnennetz gefangen fühlt oder sich in den Schächten der städtischen Kanalisation zu befinden glaubt.

Ameisenstraßen, Hirnwindungen und Röhren – angesichts dieser zufallsartigen Kombination tut sich auch der zur Ausstellung erschienene Katalog merklich schwer. Vom Künstler selbst gestaltet, mühen sich darin diverse Autoren um plausible Interpretationen dieses und anderer Environments des provozierenden Wieners. Doch so sehr sie sich auch in kunstwissenschaftliche und –historische Höhen versteigen, sie werden keiner wirklich tiefgründigen Aussage des Tapetenkünstlers habhaft. Denn Koglers Kunstanspruch scheint eben gerade darin zu bestehen, sich jeder hermeneutischen Deutung kategorisch zu verweigern. Womit er nicht nur sein Publikum, sondern auch die Zunft der Fachkundigen gehörig vor den Kopf stößt, indem er in fröhlicher Anarchie darauf beharrt, daß alles Kunst ist. Worin ihm schließlich selbst die Documenta- und Biennale-Verantwortlichen rechtzugeben scheinen. Die Vermutung des Kritikers, daß sich hierin weniger Sachverstand als vielmehr eine resignierte Kapitulation vor der Beliebigkeit offenbart, werden Koglers Förderer natürlich vehement bestreiten.

Moritz Wecker

Kogler bis zum 1. März in der GAK, Teerhof 21, Katalog 30 Mark