Durchs Dröhnland
: Beats und Bytes

■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche

Seit bald fast zwei Jahrzehnten ist Geoff Serle aus der englischen Avantgarde nicht wegzudenken. Wenn auch meist nur als graue Eminenz hat er doch mit einigen gespielt, die etwas Legendenhaftes auf ihn abgefärbt haben. Darunter waren vor allem der ehemalige King- Crimson-Geiger David Cross oder der notorische Elliott Sharp. Bei den Projekten, die unter seiner Federführung entstanden, glänzte er allerdings weniger als Keyboarder, sondern als Programmierer. Als Sonicphonics versucht er aktuellere Tanzbodenentwicklungen in die Zerrissenheit moderner Jazzansätze einzubauen. Die Rhythmen mögen zu kompliziert und zu schlingernd sein, um einen Durchschnittsraver bei der Stange zu halten, bollern aber trotzdem ganz mächtig los. Darüber findet von Echospielereien über einsam blökende Bläser bis zu Gitarrengequieke so ziemlich alles statt, was die Avant-Hexenküche im Infernofach heutzutage zu bieten hat.

Mit Hyper Active, 24.1., Tacheles, 22 Uhr, Oranienburger Straße 53–56

Und weil wir gerade bei der Elektronik sind, laßt uns einen Ausflug in die Bronzezeit des Gewerbes wagen, als man Depeche Mode noch für Avantgarde hielt und glaubte, Heaven 17 würden an ihren Maschinen demnächst die Revolution herbeiprogrammieren. Komischerweise hat jene erste Generation von – damals nannte man das so – Elektropoppern solch einen nachdrücklichen Eindruck hinterlassen, daß es Depeche Mode schon zu eigenen Kultabenden in Berliner Vorstädten gebracht haben und nun schon seit einiger Zeit eine Nachfolgegeneration sich an den steifen Klängen versucht, die ein DX7 hergibt. Dazu gehören Elegant Machinery aus Schweden, deren Sänger versucht, das glamourlose Pathos von Human Leagues Philip Oakey zu imitieren, während die Maschinen so tun, als sei es 1982 und Vince Clarke säße bei Yazoo hinter den Reglern, so kalt und trocken kommen die eigentlich piepsigen Klänge daher. Die nächsten A-Ha werden sie damit aber wohl nicht werden.

25.1., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224

Die Bates wären nicht da, wo sie sind, gäbe es Viva nicht. Dank der Deutschquotierung beim Musiksender wurden sie zu Teeniestars, werden seither durch die einschlägigen Magazine gereicht und dort mit den handelsüblichen Attributen im Stile von „so was von süße Jungs“ versehen. Bleibt die Frage, warum man die Bates braucht, solange es Offsprings, Green Days und Rancids im Dutzend gibt. Sie covern gerne Songs von berühmten Menschen, weil sie es lustig finden, Neil Young, Jonathan Richman oder sogar Ennio Morricone durch ihren Punkfleischwolf zu drehen. Die tapferen Eschweger bedienen ihre nach vorn hüpfenden Gitarren, die sich einen letzten Rest Lärmigkeit bewahrt haben, sie wissen von eingängigen Melodien und schreiben ein paar rotzige Texte, und vielleicht sind sie nicht mal schlechter als die US-Importe. Sie wissen, wie man einen Popsong anlegt, nämlich möglichst einfach. Und zugeben muß man, daß „Hello (Turn Your Radio On)“, ihr erster Schlüssel zum Erfolg, tatsächlich eine überaus hübsche Hitnummer war. Nun sind sie da oben, können endlich von ihrer Musik leben, wie sie oft und stolz verkünden, Teenieherzen schlagen höher, und das sollte man ihnen auch gönnen.

26.1., 20 Uhr, Lindenpark, Stahnsdorfer Str. 76, Potsdam

Bei den Black Crowes hat sich nicht viel verändert, außer daß Sänger Chris Robinson neuerdings einen mächtigen Bart trägt und nun aussieht, als wäre er zur Amish-Sekte übergetreten. Ansonsten sind sie immer noch die vielleicht amerikanischste aller amerikanischen Bands. Wärmende Gitarren, Texte über das Leben, das urspüngliche, und ein Pathos, das am Rande des Kitsches taumelt. Darauf kann man leicht reinfallen oder es auch einfach schrecklich peinlich finden. Andererseits sind sie wieder auch ganz nette Herrschaften, die – ähnlich wie Pearl Jam – versuchen, zumindest bei ihren USA- Tourneen die Eintrittspreise niedrig zu halten, und es nicht verhindern, wenn Kassetten- Bootlegs mitgeschnitten werden. Und immerhin, wenn es um den lieben Gott geht, versucht sich das Sextett vom amerikanisch gesunden Menschenverstand abzusetzen. „Jesus can't save you“, heißt es auf der letzten Platte, „though it's nice to think he'd try.“

29.1., 21 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108–114

Brenda Sauter spielte früher einmal den Bass bei den Feelies, der Band, für die das amerikanische Collegeradio hätte erfunden werden müssen, wäre es noch nicht existent gewesen. Nur einmal durfte sie damals singen, und zwar als Patti Smiths „Dancing Barefoot“ gecovert wurde. Fast sieben Jahre nach dem Ende der Feelies schickt sich Sauter nun an, mit Wild Carnation das Erbe aufzuarbeiten. Kennengelernt hat sich das Trio passenderweise bei einem Konzert von Yo La Tengo, die wie die Feelies und einige andere aus der Gitarrenzentrale Hoboken, New Jersey, stammen. Und damit sind nun wirklich alle relevanten Bezugspunkte für Wild Carnation abgesteckt. Von den Feelies hat man den stoischen Herzschlagrhythmus geerbt, der zuerst furzlangweilig wirkt, aber dann immer einen Tick schneller zu werden scheint. Darüber ein paar jingelnde 60ies-Gitarren mit gelegentlichen Lärmausbrüchen. Alles, was der Geigerzähler zwischen den Byrds und Velvet Underground anzeigt. Kurz gesagt: Es gibt wohl kaum eine Musik, die momentan unzeitgemäßer sein könnte. Aber diese zeitlose Perspektivlosigkeit paßt doch ganz vorzüglich zur herbstlich melancholischen Grundstimmung, die Wild Carnation umtreibt.

30.1., 21 Uhr, Huxley's Cantina Thomas Winkler