Kondom in der Tasche

■ Kubakrise vor Gericht: Hat "Spiegel-TV" einen Redakteur der "Süddeutschen Zeitung" zu Unrecht als Sextouristen dargestellt? Heute beginnt der Prozeß

Genau ein Jahr ist es her, daß sich Georg Hohmann abends im Fernsehen sah. Oder besser das, was „Spiegel-TV“ aus ihm gemacht hatte: Denn in einer Reportage über Kuba mit dem knalligen Titel „Händler, Huren, Guerilleros“ mutierte der ahnungslose Redakteur der Süddeutschen Zeitung zum Sextouristen, der sich mit einer kubanischen Prostituierten im Nightlife von Havanna herumtreibt.

„Das war, als ob eine Dampfwalze über mich hinwegrollt“, schilderte Hohmann damals sein Gefühl vor dem Fernseher und setzte alle Hebel in Bewegung, um seinen Ruf zu retten: In Wahrheit habe er sich nämlich auf Kuba mit einer Mitarbeiterin des lateinamerikanischen Filmfestivals getroffen – von Sex keine Spur. Als ihn das Team von „Spiegel-TV“ gebeten habe, bei einer Reportage über junge, selbständige Kubaner mitzumachen, habe er schon aus reiner Kollegialität eingewilligt.

Doch die Kollegen von „Spiegel-TV“ zeigten sich undankbar: Die gedrehten Szenen von einer Geburtstagsfeier und anschließender Taxifahrt wurden im Schneideraum der Austschen Fernsehschmiede zu einer Art Dauer-Vorspiel zusammengemengt und mit geil raunender Prosa unterlegt: „An diesem Abend entschieden sich beide für eine gemeinsame Heimfahrt.“

Angesichts der dreisten Entstellungen verklagte Georg Hohmann das Fernsehmagazin wegen Rufschädigung. Doch die Hanseaten blieben stur. Der zuständige (mittlerweile ehemalige) Redakteur Adrian Geiges, der Kameramann und die Dolmetscherin gaben eidesstattliche Erklärungen ab, mit denen sie die krude Bettgeschichte unter karibischer Sonne untermauerten. Berichtende Zeitungen wie die Süddeutsche oder die taz überzog Chefredakteur Stefan Aust gar mit einer Flut einstweiliger Verfügungen.

Heute nun kommt es vor dem Landgericht Hamburg zur ersten Verhandlung zwischen den Anwälten der zerstrittenen Parteien. Wahrscheinlich ist, daß „SpiegelTV“ angesichts der geforderten Schadenersatzsumme von 60.000 Mark (die Hohmann einer karitativen Organisation in Kuba spenden will) einen günstigeren Vergleich anpeilt.

Sollte Hohmann eine gütliche Einigung ablehnen, ginge die TV- Posse in die nächste Instanz, wo sie dann nicht nur zivil-, sondern auch strafrechtlich relevant wäre. Dann könnten die Mitarbeiter von „Spiegel-TV“ auch wegen Meineids belangt werden, falls sich ihre schlüpfrigen Schutzbehauptungen als falsch erweisen.

„Denen gehört eins zwischen die Hörner“, hatte Hohmann bereits kurz nach der Ausstrahlung des zweifelhaften Beitrags in der taz gewettert, und davon ist er noch mehr überzeugt, seit er die Klageerwiderung gelesen hat, für die „Spiegel-TV“ weiter fleißig an der vermeintlichen Sexstory gestrickt hat. So erinnert sich der Kameramann plötzlich daran, daß die Kubanerin Kondome in der Tasche gehabt habe. In Zeiten von Aids ein wahrhaft schlagender Beweis. Oliver Gehrs