■ Mit gutem Holz auf du und du
: Das zweite Zertifikat

Berlin (taz) – Der Stadtwald in Lübeck hat das Rennen gemacht. Er ist seit gestern der erste Wald in Deutschland, der ein offizielles Zertifikat vom ökologischen Landbauverband Naturland trägt. Auf der Grünen Woche stellte Naturland zusammen mit den Umweltverbänden Robin Wood, BUND und Greenpeace das Holz aus ökologischer Nutzung vor, zertifiziert wurde schon jetzt.

Die Lübecker Förster arbeiten seit zehn Jahren mit Unterstützung des Senats am Umbau ihrer Wirtschaftsweise. Die 4.500 Hektar Forst der Stadt werden möglichst naturnah genutzt. Zehn Prozent bleiben als Referenzfläche völlig sich selbst überlassen. Lutz Fähser, Leiter des Stadtforstamtes: „Diese acht Waldstücke haben eine Größe von 20 bis 163 Hektar. Hier kann der Wald seine über Jahrtausende optimierte Programmierung wiederfinden.“

Bei der naturnahen Waldnutzung gemäß der Richtlinien wird auf Kahlschläge verzichtet. Nur einzelne Bäume, höchstens kleine Baumgruppen werden gefällt – und das auch nur im Winter, während der Saftruhe. Der Waldboden wird nicht bearbeitet, tote Bäume bleiben vor Ort. „Nach zehn Jahren sieht man zunächst Unordnung“, so Fähser. Weil im Wald heute 2,5 Stunden pro Hektar und Jahr gearbeitet wird, früher aber sieben Stunden, wird es ruhiger. Tiere wie Uhu und Schwarzspecht kehrten bereits wieder in die Reviere zurück. Rehe allerdings wurden weniger, weil die Förster intensiv jagen.

Die Naturnähe rentiert sich auch finanziell, meinen die Lübecker. Die eingesparten Arbeitsstunden bringen 800.000 Mark im Jahr, der Verzicht auf Pestizide noch einmal 200.000 Mark. Daß mit sechs Kubikmeter Holz pro Hektar rund ein Drittel weniger eingeschlagen wird als früher, kostet nur 500.000 bis 700.000 Mark im Jahr. Zusätzlichen Zeitaufwand verursacht den Hansestädtern allenfalls ihr Erfolg: Jährlich rund 1.000 Fachleute aus aller Welt kommen nach Lübeck, um die Bäume zu beäugen.

Bisher gab es schon ein Zertifikat für ökologisches Holz vom Naturschutzbund. Der kam im April 1996 mit einem eigenen Siegel heraus, weil die Waldexperten des NaBu nur fast einer Meinung mit den anderen Umweltverbänden waren: Nach den NaBu-Kritereien muß sich der Förster nicht an die Entwicklung der zehn Prozent Referenzflächen anlehnen. „Solche Flächen sind nicht erforderlich“, meint Christof Weins, Waldexperte. Die Zeit, bis man von den Referenzflächen etwas lernt, könne zu lang für einen Förster sein. rem