1001 Seitenscheitel

Hoffnung für Friseur-Traumatisierte: Die taz testete das Haarschnitt-Programm auf CD-Rom  ■  Von Silke Mertins

Angstschweiß unter den Achseln, entgleisende Gesichtszüge beim Anblick der Frau mit der Schere, Tränenausbrüche beim ersten Schnitt: Der Friseur-Traumatisierte (pillus cappus traumaticus) kannte bisher keine Alternative als die Konfrontation mit seinem schrecklichsten Erlebnis: Der Blick in den Spiegel nach dem verhängnisvollen Satz „Ich hätte gern mal eine neue Frisur.“

Doch nun gibt es Hoffnung für die Gepeinigten. Das Journal für die Frau hat eine CD-ROM mit Namen „Frisuren-Beratung“ entwickeln lassen, mit deren Hilfe der Haarschnittsuchende 120 „Trendfrisuren“ an seinem Gesicht ausprobieren kann. Die taz hat im aufopferungsvollen Selbstversuch getestet, ob sich die 39,90 Mark plus 5 Mark für das Einscannen von zwei Farbfotos (frontal, stirnfrei, lächelnd) lohnen.

Geholfen hat der nette Herr Thorsten Kasten von der Springer-eigenen Online Publishing. Das Programm sei „narrensicher“, sagt er. Er knöpft sich die weibliche Testperson 1 vor: Vorsichtig wird das Gesicht auf dem Computer ausgeschnitten. Ganz einfach, sagt Herr Kasten. Testperson 1 lockt die Locke. Das Modell „wilde Löwenmähne“ wird angeklickt. Jetzt spricht das Programm. Ideal für diese Frisur wäre eine „herausgewachsene Dauerwelle“, die mit dem „diffusen Aufsatz“ des Föns „über Kopf trockengeknetet“ wird, sagt eine Computerstimme. Aha. Die Locken werden verworfen. Die nächste Frisur ist „Punk vom Feinsten“, wobei „Ansatz toupieren“ und jede Menge Schaum und Haarlack zum gewünschten Ergebnis führen. Naja. Und dann muß man ja auch an Pressebälle und gehobene Ansprüche denken. Eine (blonde) Hochsteckfrisur muß her, sagt Herr Kasten. „Auf dicke Wickler aufdrehen“, erklärt die Stimme, ausbürsten, „locker hochstecken“, Reifchen rein, fertig. Die Testperson 1 auch.

Testperson 2 ist zunächst etwas unwillig. Dann möchte er sich doch mal wieder ohne zurückweichenden Haaransatz sehen. Die kurzen Haare des ersten Modells stünden ihm nicht, nörgelt er. Der Mann hat recht: Langhaarfrisuren sehen an ihm einfach besser aus. Besonders gut kleidet ihn der Seitenscheitel, der mit Modellierwachs „eng am Kopf frisiert“ wird und von „zwei Girlie-Spangen“ gehalten wird. Für festliche Anlässe empfehlen sich auch die blonden „Zauselzöpfe“, die erst geflochten und dann „hochgezwirbelt“ werden. Testperson 2 strahlt.

Geeignet ist das Programm aber auch für die Damenwelt mit krimineller Energie. Bei Kontaktanzeigen zum Beispiel oder bei Bewer-bungsfotos können Frisur und Hintergrund (Palmen, Bauernhof, Brücke) den Notwendigkeiten angepaßt werden.

Nur der Mangel an Gesichtskorrekturen (kleinere Nase, schönere Ohren, wegretuschierter Damenbart) muß beklagt werden. Auch Schminken kann das Programm nicht. Doch die interaktive Beratungs-CD wird weiterentwickelt, verspricht Herr Kasten. Danke, Herr Kasten.