Amputation bis zum letzten Glied

Die erste Station im Hafenkrankenhaus ist seit gestern dicht. Die Patienten werden von anderen Abteilungen der Kiez-Klinik übernommen. Die Angestellten nicht, und bei ihnen staut sich Frust.  ■ Von Mechthild Klein

Eilig räumen die Pflegekräfte auf Station D die Regale mit Verbandszeug und Sauerstoffbehältern leer. Vollgepackte Metallwagen und blaue Plastiksäcke stapeln sich im Flur. Letzte Schicht für das Personal auf dieser Station. Ein paar Stunden später schließt die Innere Abteilung D als erste Station des Hafenkrankenhauses ihre Pforten. Morgens hatten noch die letzten acht Patienten auf der Station gefrühstückt, bevor sie auf andere Stationen im Haus verteilt oder entlassen wurden.

Bis zur Schließung hat das Pflegepersonal alle Hände voll zu tun, um Medikamente und Lebensmittel auf die anderen Abteilungen zu verteilen. Am 3. Februar soll die gleiche Prozedur auf weiteren Stationen folgen, bis die 100jährige Traditionsklinik am 28. Februar endgültig dicht macht – Abwicklung nach einem Zeitplan, wie ihn der Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) mit der entscheidenden Stimme der Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel am 19. Dezember beschlossen hat.

Seit zwei Wochen hängen Listen in den Krankenhausfluren, mit Stellenangeboten für die Pfleger und Ärzte. „Wut und Enttäuschung“ über diese Abwicklung machen sich breit bei Pflegehelferin Sabine Winter, die seit mehr als zehn Jahren in der Station D arbeitet. Die ausgebildete Sozialpädagogin konnte sich nicht wie examinierte Krankenpfleger auf Stellenangebote in den Listen bewerben. Die Angebote richteten sich nur an examinierte Pfleger, sagt sie resigniert. Also weiß die 37jährige weder, in welchem Krankenhaus noch in welcher Abteilung sie ab März arbeiten soll.

„Betteltouren“ lehnt die Pflegehelferin ab – teils aus Stolz, teils aus Kraftlosigkeit. Freitag morgen wurde schon „der Sklavenmarkt“ in Eilbek eröffnet, berichtet Sabine Winter. Dort versucht die LBK-Verwaltung, die Pflegekräfte, die noch keinen Job haben, unterzubringen. „Zwangsverteilung“ nennt Sabine Winter das.

Auch Krankenschwester Gertraud von Station D hat bei der letzten Schicht „ein komisches Gefühl“. 15 Jahre hat sie hier gearbeitet, „und jetzt ist auf einmal Schluß“. Wie die meisten ihrer Kollegen nimmt sie noch ihren Resturlaub, den sie mit der Familie verbringen möchte. Nach drei Monaten der Diskussion hat sie sich inzwischen mit der Schließung der Klinik am Zirkusweg abgefunden. Außerdem sei sie auch neugierig auf die neue Stelle in Altona. Mit den alten Kollegen will sie sich privat weiter treffen.

Die Assistenzärztin der Station D sieht für die Unterbringung ihrer Kollegen in anderen Krankenhäusern „kein Problem“ – abgesehen von der drohenden „Patientenüberflutung“ der Inneren Stationen der Kliniken in Altona und Eppendorf. Schon jetzt sei es dort ziemlich eng.

Für den kurzfristig angesetzten Versuch des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK), die restlichen Pflegekräfte unter Dach und Fach zu bekommen, hat der Personalratsvorsitzende im Hafenkrankenhaus Rolf-Peter Krause wenig Sympathie übrig. Er nennt die neue Arbeitsvermittlung schlicht und ergreifend „Arbeitskraftlotterie“. Außerdem sei die Belegschaft darüber erst einen Tag vorher informiert worden. „Soziale Gesichtspunkte bei der Arbeitsvermittlung“ habe der LBK wegen selbsterzeugten Zeitdrucks nicht berücksichtigt, kritisiert er. Und vermutet: „Wir hätten jeden freien Arbeitsplatz besetzen können, wenn bis zum Ende des Monats Zeit wäre.“

So haben nur 50 Prozent der Pflegekräfte bisher ein Angebot erhalten, mit dem sie zufrieden sind, schätzt Krause. Vor allem nicht-examinierte Pflegekräfte und solche mit Zeitarbeitsverträgen hätten Schwierigkeiten, einen neuen Job zu finden. Ebenso sehe die Situation für die neun Stationsleiter und ihre 18 Stellvertreter aus. Nur zwei von ihnen könnten ein Angebot vorweisen, das ihrer Qualifikation entspricht. Auch die meisten Oberärzte und leitenden Ärzte können wohl nicht vermittelt werden. Die Vermutung liegt nahe, daß sie auf weniger qualifizierte Stellen gesetzt werden.

Die Abwicklung durch den LBK findet der Personalratsvorsitzende „zum Teil unmöglich“. Zum Beispiel, wie dabei mit einer Mitarbeiterin aus der Verwaltung umgegangen worden sei. Die erkrankte Kollegin habe einen Anruf vom Abteilungsleiter erhalten, daß ihr künftiger Arbeitsplatz in einem Harburger Krankenhaus sei. Als die Frau erklärte, daß sie den Job wegen ihrer derzeitigen Gehbehinderung nicht antreten könne, zumal sie am anderen Ende der Stadt wohne, habe der Abteilungsleiter erklärt, daß das einer Kündigung gleichkäme.

Auch wenn ein Großteil der Belegschaft neue Arbeitsplätze in den Allgemeinen Krankenhäusern Altona oder St. Georg findet, sieht Krause langfristig weitere Probleme. Denn auch in diesen Krankenhäusern geht der Stellenabbau weiter. Die Diskussion über die Stellenverteilung soll in der nächsten Woche weitergehen.

Dann ist es längst ruhig geworden auf Station D, auch die Kamerateams sind inzwischen wieder abgezogen. An den Türen der Schwesternzimmer kleben noch die überflüssig gewordenen roten Protestplakate.