St. Pauli medizinisch entsorgt

Hafenkrankenhaus: Wannenbäder in privater Notfallambulanz am Nobistor sollen Patienten, Senatorin und SPD retten  ■ Von Sven-Michael Veit

Die Demontage des Hafenkrankenhauses begann gestern morgen: Während der Station D der Inneren Medizin aktive Sterbehilfe zuteil wurde (siehe Reportage auf Seite 26), versprachen die Gesundbeter am Mittag auf einer eilig einberufenen gemeinsamen Pressekonferenz tatkräftige Wiederaufbauhilfe. Die angedrohte Notfallambulanz am Nobistor (taz berichtete) ist seit gestern beschlossene Sache. Darauf hatten sich am späten Donnerstag abend in einem „Spitzengespräch“ die Kassenärztliche Vereinigung (KVH), die Verbände der Hamburger Krankenkassen und Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) geeinigt.

Noch in diesem Jahr soll die „Notfallambulanz St. Pauli“, so der offizielle Name, im Erdgeschoß des Kiez-Hotels „Ibis“ ihren Betrieb aufnehmen, rund um die Uhr und sieben Tage die Woche. Damit sei, so KVH-Vorsitzender Michael Späth, ein „fachlich, betriebswirtschaftlich und verkehrstechnisch günstiger“ Ersatz für die Ambulanz im Hafenkrankenhaus gefunden worden.

Das Placebo wird privat verabreicht: Chirurgen, Internisten und Allgemeinmediziner werden in einer Gemeinschaftspraxis die medizinische Versorgung der 32.000 EinwohnerInnen des Stadtteils zu sichern versuchen, soweit dies ambulant möglich ist. Schwerverletzten, das bestätigten Späth und Fischer-Menzel unisono, könne nach dem planmäßigen Exitus des Hafenkrankenhauses am 28. Februar auf St. Pauli niemand mehr helfen. Sie würden künftig ans AK St. Georg weitergereicht.

Den Notfall am Nobistor werden niedergelassene Ärzte betreiben, die ihre bisherigen Praxen an die Ecke Reeperbahn / Holstenstraße verlegen, und die Mediziner der Ambulanz Stresemannstraße, die aufgelöst und am Nobistor integriert werde. Die „voraussichtlich zehn“ Mediziner, so Späth, tragen dann auch das betriebswirtschaftliche Risiko. Die Kassen spendieren eine „Anschubfinanzierung“ für den Umbau der bisherigen Videothek. „Zwei Drittel“ der auf zwei Millionen Mark veranschlagten Investitionssumme, so Hans-Otto Schurwanz, Vorsitzender der Betriebskrankenkassen, würden die Kassen aufbringen, „und keinen Pfennig mehr“.

Etwa 40.000 Patienten pro Jahr, schätzt Späth, seien erforderlich, um die laufenden Kosten von jährlich etwa 4,4 Millionen Mark einzuspielen. Ob das zu erreichen ist, wird allerdings von allen Seiten bezweifelt: Deshalb werden die Kassen die Ambulanz mit etwa 900.000 Mark per anno subventionieren. Nicht ohne die Hoffnung, so Schurwanz, „daß das im Lauf der Zeit weniger wird“.

Weitere 280.000 Mark wird die Gesundheitsbehörde jedes Jahr zuschießen. Damit will Fischer-Menzel von der Krankenversicherung nicht gedeckte „zusätzliche hygienische Hilfen“ finanzieren, die in so einem Viertel vonnöten sein können, „zum Beispiel Wannenbäder“.

Wirklich eine saubere Lösung.