Es boomen die Millionäre

■ Bremen spaltet sich: mehr Sozialhilfe, mehr Millionäre

„Die Statistischen Ämter registrieren peinlich genau Obstbäume, Rindvieh und Schafe“, spottet der Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Arbeiterkammer, Hans Jürgen Kröger. „Selbst die von Jägern zur Strecke gebrachten Fasane, Hasen und Hirsche werden jedes Jahr gezählt. Superreiche und Millionäre sind dagegen offenbar ein besondes scheues Wild...“ Umständlich und nur aus alle drei Jahre erhobenen Einkommenssteuer-Statistiken läßt sich die Zahl der Reichen ablesen. Gerade werden die Zahlen für 1992 ausgewertet, der Kammer-Experte hat vorab einen Blick in das Zahlenwerk geworfen. Daraus ergibt sich: Die Anzahl der Millionäre in Bremen stieg zwischen 1989 und 1992 um 31 Prozent (von 213 auf 280), in der Periode 1983-86 war sie um 14,7 Prozent gestiegen, 1986-89 um 29,9 Prozent. In den Jahren seit 1992 – die Zahlen für 1995 werden erst in zwei Jahren vorliegen – dürfte diese Entwicklung weiter genauso verlaufen sein, schätzt Kröger: Durch die besonderen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen in den „Aufschwung Ost“ sind Gutverdienende West-Deutsche zu erheblichen Vermögen in den neuen Bundesländern gekommen.

In Wirklichkeit dürften die Zahlen der Millionäre auch erheblich höher sein: Nach einer Untersuchung des DIW werden nur 55 Prozent der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und aus Vermögen beim Finanzamt angegeben, der Rest geht am Fiskus vorbei.

Die Zahl der Sozialhilfeempfänger im Lande Bremen stieg dagegen in denselben Jahren 1989 bis 1992 um 18,5 Prozent auf insgesamt 66.442. In der Zeit seit 1993 stieg diese Zahl jährlich um mehr als zwei Prozent weiter an. „Bundesweit nimmt Bremen eine Armuts-Spitzenposition ein“, schreibt Hans Jürgen Kröger in der Arbeiterkammer-Expertise, während 1982 auf 10.000 Einwohner gerade 600 Sozialhilfeempfänger kamen, waren es 1993 schon 973.

Diese Zahlen belegen, wie gesellschaftliche Armut und Reichtum auseinanderdriften. Daran hat die Steuerpolitik nach der „Wende“ 1982/83 mitgewirkt: die Steuerlastquote für Unternehmer und Vermögende ist von 21 Prozent (1980) auf 9,7 Prozent (1995) gesenkt worden, die steuerliche Belastung der Arbeitnehmer wurde in derselben Zeit von 28 Prozent auf 35 Prozent angehoben.

Dieser Trend, so der Wirtschaftsexperte der Kammer, wird sich durch die neuesten Beschlüsse zur Steuerreform noch verstärken. „Spitzenverdiener werden weiter entlastet“, kritisiert Kröger. Bester Beweis dafür ist die Idee, mit der Mehrwertsteuer bei allen das wieder einzusammeln, was bei reduzierten Steuerquote für Besserverdienende verloren geht. K.W.