Heiße Polizei-Spuren ziemlich kalt

■ Staatsanwaltschaft verweigert Haftbefehl für angeblichen Todes-Dealer / Nur einer starb an Superstoff

Die Bremer Polizei rühmte gestern ihre perfekte Ermittlungsarbeit wegen der Herointoten vom letzten Wochenende. Heiße Spuren vom Heroindealer wurden verkündet, die Stadt mit neuen Erfolgsmeldungen in Atem gehalten. Der Fisch könnte noch heute nachmittag ins Netz gehen, meldete Norbert Schüler, stellvertretender Leiter der Drogeninspektion gestern. Doch die Staatsanwaltschaft war mit dieser Version nicht so ganz einverstanden: „Da wurde wohl einiges dazugedichtet“, wundert sich Staatsanwältin de Boer. „Eine Verhaftung steht in den Sternen. Das ist alles, was ich zu solchen Meldungen sagen kann.“

Hinweise aus der Drogenszene hätten die Beamten auf eine interessante Fährte gelockt, wurde vermeldet. Der Dealer, der am letzten Wochenende 60prozentiges Heroin an Junkies verhökerte, gehöre zur kurdischen oder türkischen Dealerszene am Sielwall. Er sei 18 Jahre alt und noch auf freiem Fuß, hieß es am Vormittag – die Fahndung laufe bereits.

Ganze fünf Stunden später hörte sich die erfolgsversprechende Geschichte ganz anders an: „Wir haben ja keinen Haftbefehl“, gab der Inspektionsleiter Schüler plötzlich kleinlaut zu. Tatsächlich hatte die Staatsanwaltschaft genau das verweigert. „Gegen diesen Heranwachsenden stellen wir keinen Haftbefehl aus“, erklärte Staatsanwältin de Boer am Nachmittag. Laut Aussage der Polizei hätte der 18jährige zwei Gramm Heroin bei sich gehabt. „Eine geringe Menge, wenn es um den Vorwurf des Handelns mit illegalen Drogen geht“, so de Boer.

Knackpunkt sei jedoch, daß kein Zusammenhang zwischen dem tödlichen 60prozentigen Heroin vom Wochenende und dem gefundenen Heroin bei dem 18jährigen Dealer herzustellen sei. Wer aber einen Haftbefehl will, der müsse ebendieses beweisen – ein fast aussichtsloses Unterfangen. Diese Probleme hatte Inspektionsleiter Schüler zwar am Morgen schon angedeutet, sich aber wegen des mutmaßlichen Fahndungserfolges bedeckt gehalten.

Die Version der Polizei hört sich dagegen folgendermaßen an: Danach hätten drei Rußlanddeutsche aus der Vahr sich gemeinsam einen Druck gesetzt – zwei davon wurden als erste Heroinopfer Samstag nacht in einer Vahrer Grünanlage von Passanten entdeckt. Der eine starb, der andere konnte von dem alarmierten Notarzt reanimiert werden. „Dieser hat uns auf den dritten Junkie aufmerksam gemacht, der auch dabei war“, so Schüler. Der Mann wurde von der Polizei ausfindig gemacht, dort fand man 60prozentiges Heroin. Doch Fehlalarm: „Er hatte das Heroin aber vom Sielwalleck“, so der Inspektionsleiter. Dafür hätten die Junkies pro Gramm 100 Mark gezahlt, statt der üblichen 40 Mark. „Sie wußten also, daß es reiner Stoff ist“, so Schüler. Weitere Personenbeschreibungen machten für die Polizei dann die Sache klar: Der 18jährige könnte der Drahtzieher sein. Doch die Staatsanwaltschaft zweifelt: „Warum sollte gerade dieser eine der Dealer sein“, fragt sich Staatsanwältin de Boer.

Die Bremer Polizei mußte außerdem ihre Schreckensmeldung über fünf Herointote korrigieren. Laut Inspektionsleiter Schüler ist sicher, daß nur ein Junkie wegen des superreinen Stoffes starb. Ein Opfer sei an Alkohol und Tabletten, ein anderes an normalem Heroin gestorben. Bei zwei Toten wurden zwar auch Heroinspuren gefunden – die genaue Dosierung liege aber im Dunklen. kat