■ Vorschlag
: Das Männerensemble spielt „Romeo und Julia“

Das Haus der Capulets und der Montagues – eine reine Männerwirtschaft. Elf Männer um die 30 spielen Shakespeare ganz unter sich. Denn das neugegründete Berliner Männerensemble hat, wie der Name schon sagt, nur Männer im Ensemble.

Doch ein Travestiespektakel mit rauschenden Reifröcken wird dennoch nicht daraus, obwohl alle Frauenrollen – ganz wie im Elisabethanischen Theater – von den Herren der Schöpfung übernommen werden. Im Gegenteil: Friedbert Schneider hat die Mannen allesamt in schnittige Anzüge gesteckt. Und auch eine schwule Umdichtung zu „Romeo und Julius“ ist nicht entstanden – gespielt wird vom Blatt, in der recht neuen Übersetzung von Frank Günther. Dessen Textfassung ist ganz ohne Patina und im heutigen Deutsch und doch sehr klangvoll und lyrisch, die stilistische Vielfalt des Originals wahrend.

Jens Ostendorffs Inszenierung bewegt sich ebenso in diesem Bereich: temporeich, wenn's um Action geht, den Wortwitz ausspielend, voll schnippischer Momente mit Drive. Diese Stimmung prägt vor allem die erste Hälfte des Abends. Dann aber ist die Stunde des Dramas angebrochen und der Verzweiflung, und Ostendorff gelingt es tatsächlich, dieser allseits bekannten Story von zwei Liebenden, die nicht zueinander können, Thrillerspannung und erschütternde Tragik abzugewinnen.

Ein Abend ohne Schnörkel: Die Bühne ist ein viereckiger Podest aus bleichen Dielen. Mehr ist nicht. Schnell wechseln die Szenen wie die Stimmungen. „Die Schauspieler sollen ihre männliche Identität in die Arbeit einbringen und dann darüber hinaus das Wesen, den Kern der jeweiligen weiblichen Figur versinnlichen.“

Das Konzept klingt spannend, ob es in dieser Form erkennbar aufgegangen ist, sei dahingestellt. Tiefere, neue Erkenntnisse über Shakespeares Personal mag man aus dem Geschlechtertausch nicht gewinnen, aber diesem Abend tut es keinen Abbruch. Denn der hat Stil, verläßt sich ganz zu Recht allein auf seine Darsteller und das reine Spiel, und dabei zuzuschauen ist ein wahrer Genuß. Eine Ensembleleistung, bei der man keinen einzelnen hervorheben möchte, ohne anderen damit Unrecht zu tun.

Für Romantik ist in der Männergesellschaft nur wenig Platz. Romeo und Julia verlieben sich ohne Umschweife und langsames, zartes Herantasten. Die Liebe ist da, und heftig, stürmisch fegt sie über die kahlen Bretter. Ganz männlich forsch und sportlich. Doch immer wieder vermischen sich die Empfindungen. Dann tauschen selbst jene Männer Zärtlichkeiten aus, die gerade keine Frauen darstellen sollen, sondern ganze Kerle, und vermitteln eine kühle und doch auch sehr körperliche Homoerotik. Währendessen brüllt Julia in der Nacht vor ihrem Todesschlaf aus ganzer Brust wild um sich, wie's keiner zarten Frauenseele je in den Sinn käme. Irritierend ist es nicht, vielmehr wie der ganze Abend: ziemlich faszinierend. Axel Schock

Theater Zerbrochene Fenster, Schwiebusser Straße 16. Nächste Vorstellungen 25.-27.1., 30.1.-3.2., 6.-10.2., 13.-17.2., 20.30 Uhr