Splendid isolation

■ Als die Zukunft noch bevorstand: Fröhliche Frühsechziger in Tom Hanks' erster Regiearbeit „That thing you do!“

Nachdem das Dekadenrecycling mehrmals runter zu den Vierzigern und wieder hoch gegangen ist, werden die Verfahren der Vergangenheitscolorierung notgedrungen pointilistischer. Explizit das Jahr 1964 hat Tom Hanks sich für seine erste Regiearbeit aus dem großen Topf der Lebensstile rausgefischt, ein Kunstgriff, der den Horizont schon vom Rahmen her beglückend beschränkt. Hanks selbst hat's zum Mitschreiben diktiert, worauf es ihm ankam: Splendid isolation. Kein Vietnamtrauma, keine Drogen, nichts Zotteliges oder Krasses. Peggy Sue ist noch nicht verheiratet, aber auch keine Feministin. Daddys Auto parkt direkt vor der Tür und schwingt die Kotflügel. Alles ist Vorlust. Über Erdöl spricht man nicht, man hat es.

Amerika steht ungekränkt im Glanz seiner Kühlschränke, Tupperparties und Transistorradios, und etwas davon fällt auch auf dich, selbst wenn du nur Verkäufer im provinziellen Elektroladen deines Vaters bist. Der sympathische Junge, der auch noch Guy heißt, kriegt seine Chance, als der Schlagzeuger der lokalen Beatband sich aus Jux und Dollerei und weil man schon ahnt, was kommt, den Arm bricht. The Wonders (oder auch The One-ders – die Eintagsfliegen) nennt sich die Vierercombo, deren kurzer Hitparadensommer im Revuestil erzählt wird: vom ersten Auftritt in der Flughafenpizzeria bis hin zum vollgemanagten Teenage-Craze in der Fernsehfamilienshow. Danach sind die Jungs verheizt und trennen sich aufgrund künstlerischer und erotischer Differenzen (Liv Tyler!), was aber gar nicht so tragisch ist, weil: Das Land ist groß, und es hat ja alles erst angefangen...

Die gar nicht mal schlecht gefälschten Sechziger-Hits kann man am Ende in- und auswendig, die Gitarren sind von Rickenbacker, und die Ausstattungscrew hat in ihrem Überschwang eine ganze Hotelhalle werkgetreu aus späteren Zeitkrusten herausgemeißelt. Alle tollen rum wie die jungen Hunde – mehr is' nich' mit diesem Kostümfilm, in dem Hanks selbst als Manager auftritt, der den Rohstoff Jugend eine Zeitlang seift und knetet. Offenbar bestand sein Hauptinvestment für dieses Zwischenprodukt in dem Ehrgeiz, selber mal Regie zu führen – „That thing you do!“ Lange genug im Geschäft ist er ja. Von „Philadelphia“ ist die Verbindung zu Jonathan Demme geblieben, der produziert hat und auch mal kurz über die Szene huscht, von „Forrest Gump“ das Generalthema: Jeder der vier Wonders, die von Off-Theatern oder aus McDonald's-Clips weggecastet wurden, ist auf seine Art ein allamerikanischer Charakter. Kommt von unten, durchquert die Zeitläufte ein wenig tumb, aber mit Gott auf seiner Seite. Die Entertainer in ihren Dinnerjackets wissen, was sie an ihnen haben, wenn sie sie auf die Bühne jagen: Danke, Pennsylvania! Danke, Illinois!

Ideologiekritischerseits ließe sich noch einwenden, daß Liv Tyler, die der Schlagzeug-Guy am Schluß kriegt, im ganzen Film nichts machen darf als dabeisein, gut aussehen und geknutscht werden, was Girlie-mäßig nicht so gut rüberkommt. Die paar Schwarzen im Script zwinkern dazu subaltern mit den Augen und halten die Tür auf oder sind stilvolle Jazzer. Unschön auch, daß die Beatles who made all this possible und in deren Songs für den Soundtrack über die Maßen gewildert wurde, so gar keinen Credit kriegen – Hanks sieht auch das als amerikainterne Geschichte und bringt es als solche nach Hause.

Zu ernst nehmen darf man das alles aber nicht, wenn man in einem Land lebt, in dem die junge Intelligenz sich mit Vorliebe so kleidet, als hätte sie die Studentenbewegung noch vor sich. Thomas Groß

„That thing you do!“ Regie: Tom Hanks. Produzent: Jonathan Demme. Mit Tom Everett Scott, Liv Tyler, Jonathon Schaech, Steve Zahn. USA 1997