Harter Polizeieinsatz gegen serbische Demokraten

■ In Kragujevac entscheidet jetzt ein Gericht, wer den Fernsehsender kontrolliert

Kragujevac (AP/taz) – Am Nachmittag saß der Abgeordnete Zoran Simonović noch mitten in der friedlichen Sitzblockade. Am Abend liegt er nach einem Schlagstockeinsatz der Polizei mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus von Kragujevac. „Das ist es, was du bekommst, wenn du in diesem Lande für Demokratie kämpfst“, sagt seine Frau.

Der 37jährige Kinderarzt sitzt für das Oppositionsbündnis Zajedno im Bundesparlament in Belgrad. Am Donnerstag war er mit dabei, als die Bewohner mit einer Sitzblockade gegen die Besetzung des Rundfunksenders durch die Polizei protestierten. Anders als in Belgrad haben die Behörden den Wahlsieg von Zajedno in Kragujevac anerkannt, und jetzt will die neue Stadtregierung die Radio- und Fernsehstation übernehmen. Die Blockade sollte nur drei Stunden dauern und deswegen in 30 Minuten ohnehin beendet werden. Aber die Polizisten holten den Schlagstock hervor und lösten die Sitzblockade auf. Mindestens 16 Menschen wurden verletzt.

Der größte Schock für die Einwohner bestand aber darin, daß es die eigenen Polizisten aus Kragujevac waren, die da losprügelten. Innerhalb einer Stunde versammelten sich Tausende vor dem Rathaus. „Wir haben einen schrecklichen und tückischen Gegner“, rief der örtliche Zajedno-Vorsitzende Vlatko Rajković der Menge zu. „Sie sind wie Roboter“, sagte der neue Bürgermeister Veroljub Stevanović über die Miliz. Die Menschen rufen immer wieder in Sprechchören „Hunde, Hunde, Ihr seid Slobos Hunde!“ Schließlich gelingt es den Zajedno-Führern, die Demonstranten dazu zu bewegen, nach Hause zu gehen.

Der Sender, bisher vom staatlichen Fernsehen kontrolliert, erreicht in der südlich von Belgrad gelegenen Region Sumadiya rund 500.000 Menschen und ist deshalb von besonderer Bedeutung. „Wir kriegen die Fernsehstation“, sagt die Schauspielerin Ljuba Tadić, „selbst wenn es zwei, drei oder sechs Monate dauern sollte.“ Gestern einigten sich die Kontrahenten darauf, daß der Sender bis zu einem Gerichtsentscheid die politische Berichterstattung einstellt. Dafür wird die Polizei abgezogen.

Die 150.000 Einwohner haben Kragujevac zum zweiten Zentrum der Demokratiebewegung gemacht. Im 19. Jahrhundert war es die Hauptstadt des Fürstentums Serbien. Im Zweiten Weltkrieg war die Stadt ein Zentrum des Widerstandes gegen die Deutschen. Im Oktober 1941 erschossen die deutschen Truppen dort in drei Tagen 7.000 Menschen. Nach dem Krieg wurde die Stadt berühmt für die Autos der Marke „Jugo“ und die Waffenfabrik Zastava. Heute aber ist jeder zweite arbeitslos.