Sprengstoffexperte

Gesichter der Großstadt: Hans Meyer, Präsident der Humboldt-Universität, gibt im Streit der Hochschulen mit dem Wissenschaftssenator den Ton an  ■ Von Dietmar Neuerer

Seine Stirn legt sich in Falten, wenn er auf die Sparpolitik des Senats zu sprechen kommt. „Ich habe zwar erwartet, daß es schlimm werden wird, aber daß es so schlimm kommt, war nicht meine Erwartung.“ Professor Dr. Dr. hc. Hans Meyer, seit sechs Monaten Präsident der Humboldt-Universität, ist die zentrale Figur in der Berliner Hochschullandschaft. Mit den Präsidenten der beiden anderen Universitäten ist er sich in der Spardebatte einig. In den Auseinandersetzungen mit der staatlichen Seite gibt er allerdings den Ton an. Viel sagt er nicht, aber wenn es an der Zeit ist, sagt er das Wesentliche.

Man merkt dem 63jährigen Meyer den Ärger nicht an, den das Gezerre um einen Hochschulvertrag mit dem Land Berlin ständig provoziert. Locker sitzt der kleine drahtige Mann in seinem ledernen Schreibtischstuhl, unbeeindruckt von der Unruhe, die Senator Radunski versucht in die Universitäten hineinzutragen.

So ungerührt gibt sich der gebürtige Aachener nicht immer. Wenn es um die drohenden Eingriffe des Staats in die Hochschulautonomie geht, steigert er sich zum begnadeten Redner. Eloquent und eindringlich geißelt er die unseriöse Rotstiftpolitik des Senats. Er wird dabei nie unsachlich oder schlägt laute Töne an. Fast möchte man meinen, es sei ein Genuß für ihn, im Mittelpunkt des Disputs zu stehen und dem Druck standzuhalten.

Dem Wissenschaftssenator, der sich den Erhalt der Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen wünscht, hält er lapidar entgegen: „Wünschen, Herr Senator, hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun.“ Und die Wirklichkeit sieht finster aus. Die Politik will Verträge mit den Hochschulen abschließen, ihnen Planungssicherheit garantieren und spricht von einem „Zukunftsbündnis“. Meyer sagt: „Es ist natürlich kein Zukunftsbündnis, wenn man uns sagt, ,wir bezahlen euch statt drei Universitäten zwei, aber bleibt gefälligst drei und seht, wie ihr damit zurechtkommt‘.“

Im Gespräch gibt Meyer sich liebenswürdig und souverän. „Ich habe einen sehr strengen Lehrer gehabt, der außerordentlich scharf, genau und sehr gefürchtet war.“ Von ihm habe er gelernt, daß es viel zur Versachlichung beitrage, wenn man genau sagt, was man denkt. Hans Meyer, der im letzten Jahr ohne einen Gegenkandidaten zum Präsidenten der Humboldt- Universität gewählt wurde, ist eine markante Persönlichkeit. Er läßt sich nicht über den Tisch ziehen und ist auch bereit, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. So erwägt er, künftig keine Studenten mehr zuzulassen, da er unter diesen Finanzbedingungen nicht garantieren könne, daß die Studenten auch angemessen ausgebildet werden. Hier gibt sich der Präsident als pragmatischer Hardliner, der schon mal den ersten Stein wirft, wenn es sein muß.

Sicher ist das auch ein Ausfluß der eigenen Biographie. „Ich habe mich in jeder Funktion immer reifer gefühlt als die anderen“, sagt Meyer stolz. „Und wahrscheinlich“, fügt er verschmitzt hinzu, „war ich es auch.“ Das habe daran gelegen, daß er immer später als andere die entsprechenden Positionen erreicht habe. Das habe mit dem Abitur angefangen. Durch den verzögerten Wiederaufbau des Schulwesens in der Nachkriegszeit verlor er eineinhalb Jahre. So konnte er erst mit 21 sein Abitur ablegen. „Ich habe das nie bedauert.“ Nach Promotion und Habilitation wurde er Professor für Staats-, Verwaltungs- und Finanzrecht an der Universität Frankfurt am Main.

Mit der Humboldt-Universität kam er erstmals nach der Wende in Berührung. Als Vorsitzender der Berufungs- und Strukturkommission der juristischen Fakultät half er, mit seiner hartnäckigen Zielstrebigkeit einen Fachbereich aufzubauen, der seither zum guten Ruf der Universität beiträgt. Sein Präsidentenamt absorbiert einen nicht unerheblichen Teil seiner Kraft, sagt er. Zeit für ein Privatleben in Berlin hat er nicht. Jedes Wochenende fliegt er zu seiner Frau nach Frankfurt, doch am Montagmorgen steht er wieder in der Humboldt-Universität auf der Matte. Dann macht er sich wieder daran, die Beziehungen mit dem Land Berlin einigermaßen vernünftig zu regeln und den Zusammenhalt unter den Universitäten zu organisieren. „Man sollte nicht verkennen, daß sich in den Unis Sprengstoff ansammelt“, sagt Hans Meyer. Und wenn es nicht zu einem Vertrag mit dem Senat kommt, dann kann es schon sein, so seine Prognose, „daß das Sommersemester sehr heiß wird“.