Einer wird gewinnen

■ Beim Hallenmasters in München interessiert alles – nur nicht der Fußball

München (taz) – Feierabend. Der Pressesprecher des deutschen Fußballbundes wird von Journalisten umlagert, weil er die Einladungen für die „Player's Night“ hat. Findet im Park Hilton statt, gleich am Englischen Garten. Schick. Es gibt eine Menge Leute, die an diesem Abend nichts Besseres vorhaben, als die Lokalität zu wechseln, weiterzuessen – und die gleichen Gesichter zu sehen, die sie an diesem Samstag schon sechs Stunden gesehen haben. Die Party, raunt man sich zu, sei der absolute Höhepunkt beim diesjährigen DFB- Hallenmasters in Münchens Olympiahalle. Das muß man glauben.

Als sportliches Großereignis haut das Masters ohnehin niemanden um: Die Bayern blamieren sich in der Vorrunde gegen Fortuna Düsseldorf, so gut es geht, und erreichen trotzdem noch das Endspiel; Borussia Dortmund entsendet eine bessere Amateurmannschaft, weil die edelsten Spieler samt Trainer ein Flugzeug verpaßt hatten und darüber bestimmt traurig sind. Was am meisten interessiert, ist der Speiseplan, und dieser hatte am Samstag Spätzle in Steinpilzsoße vorgesehen und Schwertfischfilet am Spieß und Schweinsbraten mit Kartoffelgratin sowieso. Diverse Vor- und Nachspeisen unerwähnt gelassen. Fußball in München ist eine Gesellschaftssache, da geht jeder hin, um dagewesen zu sein; und würde man letztlich am Promi-Ausgang eine Umfrage starten, wer denn nun wisse, daß Kaiserslautern das Finale 3:1 gegen Bayern gewonnen habe – die Trefferquote läge wohl bei 50 Prozent. Dafür wüßten die meisten die angebotenen Weinsorten aufzusagen.

Im Grunde ist der Indoor-Kick eine reine Kontakt- und Gerüchtebörse: Welcher Manager tuschelt mit welchem Trainer? Wer küßt wen? Vor zwei Jahren knüpfte der FC Bayern bei nämlicher Veranstaltung erste Kontakte zu Otto Rehhagel – jener hatte nun mit dem 1. FC Kaiserslautern seinen ersten Auftritt in München, seit man ihn davonjagte. In seinem Handy, ließ Lothar Matthäus wissen, sei Rehhagels Telefonnummer gespeichert, und Mario Basler sagte, er träume davon, seine Karriere beim Otto in der Pfalz zu beenden. Ob er deshalb Beate Rehhagel mit Bussi empfangen hat? Münchens Boulevard-Berichterstatter haben's bemerkt.

Sosehr sie sich auch mühte, die Frau Rehhagel (sie war sogar bei der Pressekonferenz dabei), den Karlsruher Sportclub konnte sie aus dem Zentrum des VIP-Raum- Schnacks nicht verdrängen. Michael Tarnat, der Möchtegernbayer, konnte sich auf dem Spielfeld freier bewegen als in den Katakomben, wo ihn die Reporter ständig in dunkle Ecken zerrten: Tarnat will wechseln, der KSC ihn aber nicht lassen. „Ich hoffe, die beiden Vereine werden sich zusammensetzen, und dann kann es eigentlich nur noch ums Geld gehen“, meint Tarnat. „Ich nehme an, das wird in den nächsten Tagen passieren.“ In der Nationalmannschaft, glaubt Tarnat, „habe ich als Bayernspieler bessere Karten“.

Der Schäfer-Winnie hätte sie allerdings nicht, bliebe er weiterhin KSC-Trainer. Er fürchtet eine Schneeballreaktion: geht Tarnat, geht Häßler, geht Dundee. Und der KSC seiner wichtigsten drei Spieler verlustig. „Was haben wir von der Ablösesumme? Für Tarnat müssen wir auch einen Ersatz kaufen“, sagt Schäfer, „und ob der genauso gut ist?“ Aber vielleicht bleibt der Herr Schäfer gar nicht in Karlsruhe. Aus „heißer Quelle“, und darauf war er gewiß stolz, wollte Fernsehmoderator Dieter Kürten erfahren haben, daß Schäfer als Coach bei Inter Mailand im Gespräch sei. Zuviel am Pinot Grigio genippt, Herr Kürten? Schäfer jedenfalls beantwortete das Gerücht mit einem Grinsen. Und sollte er am Abend noch das Sportstudio gesehen haben, wo er mit dem AS Rom in Verbindung gebracht wurde, wird er sich vermutlich schlapp gelacht haben.

So ein ganzer Tag dicht an dicht in einer Sporthalle mag manchen Geist verwirren, weshalb Giovanni Trapattoni offenbar einer der wenigen blieb, die den Durchblick behielten. Die gesamte Veranstaltung, meinte der Bayern-Trainer, sei ohnehin „nur Theater“. Und weil Fußball mit Kultur nur marginal zu tun hat, plädieren die meisten Übungsleiter der Liga für die Abschaffung der Hallenrunde. Mit Ausnahme von 1860 Münchens Coach Werner Lorant, weil seine Kicker zumindest unterm Dach einigermaßen erfolgreich sind und sich diesmal gar nicht erst qualifizieren mußten, weil als Titelverteidiger gesetzt. Als vierte von acht Mannschaften. Diesen absurden Modus will der Liga-Ausschuß des DFB abschaffen, auch weil durch die auf sechs Wochen verkürzte Winterpause kaum mehr Zeit bleibt für derlei Spielerei. Weil sie aber aufgrund eines Fernsehvertrags verpflichtet sind, bis ins Jahr 2000 zu kicken, soll die Qualifikationsrunde verschlankt werden: auf vier Regionalturniere mit anschließendem Masters, an dem bis zu zehn Mannschaften teilnehmen werden, weil nur der Ausrichter und der deutsche Meister gesetzt werden. Austragungsorte sollen Dortmund und München bleiben: Dann ist auch für Schampus beim Fußball gesorgt. Markus Götting