„Eine Große Koalition kann sinnvoll werden“

■ Alexander Graf von Schwerin, Mitglied im CDU-Bundesvorstand und im Vorstand der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), kritisiert die Steuerreformpläne

taz: Herr von Schwerin, warum haben Sie im CDU-Bundesvorstand neben Norbert Blüm gegen die Steuerreform votiert?

Graf von Schwerin: Hauptsächlich, weil wir noch auf unserem Bundesparteitag in Hannover beschlossen hatten, Steuer- und Rentenreform nicht getrennt voneinander zu verabschieden.

Was ist denn nun Ihre Kritik an der Steuerreform?

Die Steuern auf die Renten.

Doch nur die hohen Renten.

Darum geht's nicht. Es besteht die Gefahr, daß das solidarische Rentensystem abgeschafft würde.

Was Ihr Koalitionspartner FDP ja auch offen fordert.

Das stört mich einen feuchten Kehricht. Andere müssen auch mal einlenken, nicht immer nur wir. Die Menschen können erwarten, daß ein Mitglied einer christlichen Partei auch für sie kämpft.

Viele in Ihrer Partei haben gegen die Steuerpläne protestiert. Es scheint, daß es in der CDU-Maschine anhaltend knirscht.

Ja, wir haben jetzt großen Diskussionsbedarf.

Nach Lage der Dinge werden Sie von Ihrem Koalitionspartner nichts erwarten dürfen – der steht selbst unter Zwang, seine Kundschaft bedienen zu müssen.

Ich bin ja nicht blind; die Bonner Regierung steht bis 1998. Insofern müssen Kompromisse mitgetragen werden. Aber das hindert mich nicht daran, meine Position vehement deutlich zu benennen.

Sie bellen, und die Karawane zieht weiter?

Wir wollen uns nicht wie früher als CDA nur ärgern lassen. Die CDU ist stärker als die FDP. Und das muß in der Regierung zum Ausdruck kommen.

Haben Sie Angst um den Wahlerfolg?

Tatsache ist, daß wir in der Bundesrepublik eine soziale Schieflage haben. Das bestätigen uns auch die Kirchen. Damit muß einmal Schluß sein. Sonst verlieren wir in der Tat die nächste Wahl. Die Menschen finden die Umverteilungen ungerecht – das ist der Hauptpunkt. Man kann nicht die Nachtarbeit besteuern wollen und zugleich die Frist für Spekulationsgewinne auf ein Jahr verlängern.

Keine Pardon mehr mit der FDP?

Nun, die sitzt in ihren Bonner Regierungssesseln und will dort wohl auch bleiben. Deshalb muß jetzt härter gepowert werden.

Wollen Sie sich ernsthaft der Koalitionsdisziplin verweigern?

Einige Punkte sind jedenfalls unverzichtbar. Nun muß die FDP, aber auch die CSU mal in den saureren Teil des Apfels beißen.

Was halten Sie davon, die Tabak-, Branntwein- und Benzinsteuer zu erhöhen?

Anteilig könnte man durch solch eine Erhöhung versicherungsfremde Leistungen weiter finanzieren, die durch die Sozialkassen bezahlt werden.

Was schlagen Sie vor, wenn Ihre Politik mit der FDP nicht mehr geht? Die Große Koalition?

Ich kann mir außer mit der heutigen PDS jede Koalition vorstellen. Auch eine schwarz-grüne – kommunal funktioniert das ja schon ganz gut.

Darf man das als Signal an die FDP verstehen, die CDU nicht mehr allzu sehr zu nerven?

Andere wie Helmut Kohl mögen das anders sehen, aber ich glaube, daß eine Große Koalition sinnvoll werden kann. Interview: Jan Feddersen